Kirchenhistoriker: Plädoyer für Burjan als Wiener Stadtpatronin
Am Sonntag endete - Corona-bedingt von Absagen begleitet - die Wiener "Klemenswoche", mit der die Erzdiözese Wien des 200. Todestages des Wiener Stadtpatrons, des Heiligen Klemens Maria Hofbauer (1751-1820), gedachte. 1909 war der Priester und Ordensmann von Papst Pius X. heiliggesprochen und 1914 vom selben Papst schließlich zum Stadtpatron von Wien erklärt worden. In die Feierlaune hinein meldete sich nun jedoch der Wiener Kirchenhistoriker Prof. Rupert Klieber mit einem kleinen "Aber": So stellte Klieber in einem Interview mit Kathpress die Frage, ob Hofbauer tatsächlich noch ein "zeitgemäßer" Stadtpatron sei - und ob er nicht vielmehr einer Ergänzung durch eine Frau an seiner Seite bedürfte: etwa die 2012 selig gesprochene Hildegard Burjan (1883-1933).
Zum Standpunkt von Prof. Dr. Klieber
Hofbauer sei zweifellos eine "authentische Persönlichkeit" gewesen, deren bewegtes Leben allen Respekt verdiene, so Klieber. "Doch er war nicht nur 'Fundamentalist' im positiven, sondern auch im bedenklichen Sinne". So habe der wortgewaltige Prediger etwa ein intellektuelles Bemühen um den Glauben gering geschätzt und selbst aufrichtig um kirchliche Erneuerung bemühte Menschen bei der Kurie denunziert. So löblich Hofbauers Bemühen als Redemptorist gewesen sei, die Menschen am Rande der Gesellschaft in den Blick zu nehmen und ihre Sprache zu sprechen, so wenig werde er als politisch reaktionärer und die Aufklärung ablehnender "Prediger und Seelenführer" doch dem Selbstverständnis von Wien als offener Weltstadt gerecht.
Als Ergänzung schlug Klieber daher vor, Hofbauer die 2012 selig gesprochene Sozialpolitikerin und Gründerin der Schwesterngemeinschaft "Caritas Socialis", Hildegard Burjan, an die Seite zu stellen. Sie sei geradezu "eine ideale Kandidatin" und würde Hofbauer optimal "austarieren", führte der Kirchenhistoriker aus: "Eine selbstbewusste, kluge und akademisch ausgewiesene Frau, verheiratet und Mutter einer Tochter". Zudem wurde sie als erste weibliche Abgeordnete der Christlichsozialen in die Konstituierende Nationalversammlung Österreichs gewählt, "wo sie über Parteigrenzen hinweg Verbündete für Frauenanliegen suchte und als 'Gewissen des Parlaments' galt".
Zudem spreche für die in eine assimilierte jüdische Familie geborene Burjan, dass an ihr die Stadt Wien sowie die Kirche "auch symbolische Abbitte für die wohl größte Schuld leisten" könnten, "die sie in jüngerer Vergangenheit auf sich geladen haben. Nämlich: Es kommentar- und tatenlos hingenommen, davon profitiert oder aktiv daran mitgewirkt zu haben, dass fast 200.000 ihrer jüdischen Nachbarn - die größte Kommunität im deutschen Sprachraum und ein Zehntel der Einwohner - ab 1938 innerhalb weniger Monate aus der Stadt geekelt, vertrieben oder in den Tod verschickt wurden."
Im Übrigen gebe es dafür auch andere Vorbilder in Österreich, wies Klieber hin: "Seit der Heiligsprechung Hemmas von Gurk 1938 haben die Landespatrone Kärntens, Josef und Domitian, eine populäre 'Landesmutter' an die Seite gestellt bekommen. Salzburg hat den Gründerbischöfen Rupert und Virgil im Jahr 1986 die Heilige Erentrud als Patronin beigesellt. Eine Möglichkeit also auch für Wien?"
Quelle: kathpress