Gähnende Leere im Touristenmagneten Stephansdom
Ein ungewohntes Bild: Keine Menschentrauben am Eingang des Stephansdoms, des Touristenmagneten Nummer eins im viel frequentierten Wien, und auch im Inneren nur 21 vom Türsteher gezählte Besucher. Stattdessen gleich außen am Riesentor ein Schild mit der Aufschrift: "No visit. Only for prayer. Max. 100 persons". Dieser nicht nur den Tourismus limitierende Hinweis findet sich auch im Inneren des gähnend leeren Stephansdoms an dicken Gitterstäben. Hier heißt es Stopp für alle, die sich nicht während der Gottesdienstzeiten in die Bankreihen setzen und an der Liturgie teilnehmen.
Die allermeisten Besucher von fern und nah - "urbi et orbi" sozusagen - haben Verständnis für die drastische Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus, dessen weltweite Ausbreitung die WHO erst vor Stunden als Pandemie bewertet hat. Ein Vertreter des Aufsichtspersonals erzählt beim "Kathpress"-Lokalaugenschein, nur wenige Touristen äußerten deutlich ihre Frustration über die nun verpasste Möglichkeit, die grandiose Gotikkathedrale nicht nur vom hinteren Kirchenbereich aus und mit Sicherheitsabstand zu den anderen Anwesenden zu besichtigen. "Aber schauen Sie auf den Stephansplatz", deutet der Mann auf das Herz der Wiener City: "Es sind eh kaum Leute da." Sein Kollege nimmt es nicht so Wienerisch gelassen: "Schade, dass wir jetzt so leben müssen."
Massiver Eingriff auch ins Glaubensleben
Das Coronavirus greift massiv ins Alltagsleben ein - auch ins Glaubensleben der Dompfarre. "Aufgrund des Regierungs-Erlasses, Indoor-Versammlungen über 100 Personen zu verbieten, stellt der Stephansdom bis auf Weiteres den Tourismusbetrieb ein", informiert Dompfarrer Toni Faber auf der Pfarr-Website. Für Gläubige, die Gottesdienste besuchen, beten oder beichten wollen, bleibe der Dom bis zu dieser Höchstzahl offen. Die Öffnungszeiten bleiben unverändert: Montag bis Samstag von 6 Uhr früh bis 22 Uhr am Abend, an Sonn- und Feiertagen ist der Dom ab 7 Uhr geöffnet.
Und wie überall sonst gilt die Empfehlung von Sicherheitsabstand: "Bis Anfang April verzichten wir bei der Feier der hl. Messe auf Mund- und Kelchkommunion, den Friedensgruß per Händedruck und generell auf den Gebrauch von Weihwasser", teilt Faber mit. Er ersucht auch darum, statt sonntags auf weniger frequentierte Gottesdienste unter der Woche auszuweichen. Der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn hat dafür angesichts der akuten Krise Dispens von der für Katholiken geltenden Sonntagspflicht erteilt.
Und Gläubige können auch via Medien mitfeiern, wie die Dompfarre mitteilt: Radio Klassik Stephansdom, der Sender der Erzdiözese, überträgt Sonntagsgottesdienste live ab 10.15 Uhr sowie die 12-Uhr-Messe an Werktagen (www.radioklassik.at).
Abgesagt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden musste die bis 15. März angesetzte Festwoche in St. Stephan anlässlich des 200. Todestags des Stadtpatrons von Wien, Clemens Maria Hofbauer. Und weitere kulturelle Highlights während der Fastenzeit, der den Hochaltar des Stephansdoms verhüllende lila Strickpulli und die im ganzen Innenbereich aufgestellten Skulpturen des Künstlers Erwin Wurm, bekommen derzeit nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Auch die überdimensionale Wärmflaschenskulptur - ein Symbol für die erwärmende Kraft der christlichen Nächstenliebe - ist derzeit ein eher einsames Mahnmal in kühlen Virus-Zeiten.
Vielleicht aber auch ein Hoffnungszeichen: Denn ungeachtet der Epidemie wird auf der Westempore des Stephansdom gerade letzte Hand an die aufwendig restaurierte Riesenorgel gelegt. Österreichs größtes Musikinstrument soll beim Ostersonntags-Gottesdienst am 12. April das erste Mal seit Jahrzehnten wieder erklingen. Ob es tatsächlich dazu kommen kann, ist noch offen. Eine Auferstehungsfeier und eindrucksvolle Begleittöne dazu wären in Zeiten wie diesen jedenfalls höchst willkommen...
Quelle: kathpress