Glettler: Kirchen keine Museen, sondern Orte des Willkommens
Schöne und für alle zugängliche Kirchen sind mehr als nur kunsthistorisch wertvolle Objekte, die das kulturelle Gepräge Österreichs ganz wesentlich ausmachen. Sie sind nach den Worten des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler, der in der Bischofskonferenz für Kunst und Kultur zuständig ist, "Orte des Willkommens und der Ahnung, dass der Himmel allen Menschen offen steht". Kirchen sollen auch weiterhin "begehbare Gesamtkunstwerke" für alle sein, wenn auch keine "Museen", in denen nichts verändert werden darf.
Glettler äußerte sich am Freitag auf der "Monumento Salzburg", der internationalen Messe für Kulturerbe und Denkmalpflege, im Zuge der Präsentation des Buches "Schöne Kirche". Diesen programmatischen Titel trägt das erste österreichweit einheitliche Pflegehandbuch für kirchliches Kunst- und Kulturgut, das von der "Arbeitsgemeinschaft der Kirchlichen KonservatorInnen Österreichs" im Auftrag der Bischofskonferenz herausgegeben wurde. Mit dem Innsbrucker Bischof am Podium: der Erzabt von St. Peter in Salzburg, Korbinian Birnbacher, der Präsident des Bundesdenkmalamtes (BDA), Christoph Bazil, und Martin Salzmann als Vertreter der 25.000 Mesner in Österreich als Erstadressaten des Handbuches.
Gotteshäuser seien als "heilige Gebäude" ausgezeichnete Orte, "um die Sehnsucht zu verstärken oder sogar die Gewissheit zu vermitteln, dass es über alles Machbare und materiell Fassbare hinaus einen tragenden Urgrund allen Seins gibt", erklärte Bischof Glettler, der auch studierter Kunsthistoriker ist.
Die heimischen Sakralbauten zeugten vom historisch inkarnierten christlichen Glauben - "auch wenn der üppige Baustil und die Ausstattung mancher Epochen ebenso den eitlen Protz der einst mächtigen Kirchenfürsten belegen", wie Glettler anmerkte. Diesen meist barocken Baudenkmälern stünden die schlichten Kirchen der 1960er- und 1970er-Jahre gegenüber, die oft mehr vom "wohltuenden Franziskus-Geist" der Gegenwart vermittelten. Verantwortung für die Erhaltung trage die Kirche sowohl für die üppigen Barockkirchen als auch die Betonkirchen am Stadtrand.
Die vielen Kirchen in Österreich sollen nach den Worten des Bischofs auch weiterhin allen Menschen offen stehen - den Gläubigen und den Suchenden, den Kulturinteressierten und auch den einfachen Leuten, die nur einen Platz zum Ausrasten brauchen. Gerade heute seien mehr und mehr Orte der Entlastung und Unterbrechung gefragt, in denen "abseits der Tageswichtigkeiten" Persönliches Platz findet - wie Dankbarkeit, Verzweiflung, Trauer.
Kirchen sollten aber auch Orte sein, "wo mit den Mitteln heutiger Kunst dem christlichen Glauben eine berührende neue Gestalt gegeben wird", betonte Glettler, der in seiner Zeit als Pfarrer von Graz-St. Andrä zeitgenössische Künstler einlud, den barockisierten Innenraum der Kirche mit moderner Kunst anzureichern. "Veränderungen und Neugestaltungen müssen in sorgsamer Rücksicht auf den Bestand möglich sein", erklärte er. Kirchen seien ja keine Museen, sondern "Umschlagplätze aller Fragen, die unser Menschsein berühren".
Pflegehandbuch soll in jede Kirche
Das neue Pflegehandbuch wollen die österreichischen Bischöfe und Ordensoberen jeder Kirche in Österreich als Hilfestellung schenken. Es richtet sich in erster Linie an Mesner, aber auch an die Pfarrer, Sakristane, Kirchenpfleger, Kirchenreiniger und Wirtschaftsverantwortliche und soll in allen Sakristeien oder Pfarrbüros griffbereit aufliegen. Die Diözesanbischöfe stellen es in ihrem Zuständigkeitsbereich vor - so etwa der St. Pöltner Bischof Alois Schwarz am 14. März im Rahmen eines Mesner-Einkehrtages im Stift Herzogenburg. Die Diözesankonservatoren verweisen in ihrem Vorwort auf die bundesweit rund 10.000 Pfarr-, Kloster- und Filialkirchen. Für sie liege nun erstmals ein österreichweit einheitliches Nachschlagewerk auf, das die Fachstellen der Diözesen und Orden gemeinsam mit den Bauämtern, dem Bundesdenkmalamt und der Mesnergemeinschaft erarbeiteten.
Das neue Handbuch sei Ausdruck einer doppelten Wertschätzung, sagte Bischof Glettler: erstens für die vielen kirchlichen Kulturgüter wie Bauten, Liturgie- oder Kunstobjekte; zweitens für jene, die sich um deren Erhalt und Pflege verdient machen.
Birnbacher: "Im Bewahren wachsen"
Erzabt Birnbacher erinnerte an ein zum Anlass passendes Motto aus einem Emblem der Stiftsbibliothek von St. Peter: "Conservando creso" ("ich wachse im Bewahren") drücke aus, dass die vielen meist ehrenamtlich Engagierten für kirchliche Räume, Objekte und Sammlungen letztlich von diesem Einsatz persönlich profitieren. Auch zunächst belächelte "Ansammlungen von Kitsch, Kunst und Krempel" offenbarten bei näherer Beschäftigung oft den Wert dessen, was gläubigen Menschen einmal heilig war.
Der Vorsitzende der neu gegründeten Österreichischen Ordenskonferenz wies darauf hin, dass die heimischen Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften auf eine teilweise mehr als 1000-jährige Geschichte zurückblicken. "Sie hüten und bewahren damit ganz selbstverständlich einen gewachsenen Bestand von Kunst- und Kulturgütern," sagte Birnbacher. Das neue Handbuch soll all jenen Menschen Hilfestellung bieten, die mit Liebe und Leidenschaft Kirchen und Klöster - "und damit auch die christliche Kultur" - am Leben erhalten. "Mögen dadurch auch künftige Generationen lebendiges Christsein spüren dürfen", so der Wunsch des Erzabtes.
BDA-Präsident Bazil erklärte, mit dem Handbuch werde ein wichtiger Schritt für die Pflege und Erhaltung kirchlicher Kulturgüter gesetzt und ein Beitrag dafür geleistet, "Kirche als Ort für alle" zu bewahren. "Unersetzbar" sei das Buch auch, um frühzeitig Schäden an kunsthistorisch wertvollen Objekten zu erkennen und zu deren Behebung die Expertise von Fachleuten zu nutzen.
Die "Monumento" findet als internationaler Branchentreffpunkt für Kulturerbe, Denkmalpflege, Restaurierung, Handwerk, Instandsetzung und Konservierung von 5. bis 7. März 2020 zum bereits fünften Mal in Salzburg statt. Fachleute wie die Vertreter von zehn nationalen Denkmalämtern sowie interessierte Laien informieren sich über die neuesten Trends und Entwicklungen in diesen Disziplinen. Die Messe gibt es seit 2012, seitdem wird sie in einem zweijährigen Turnus im Messezentrum Salzburg veranstaltet. (www.monumento-salzburg.at)
Quelle: kathpress