Theologe sieht "mehr Gemeinsames als Trennendes"
Religionsunterricht und Ethikunterricht haben "mehr Gemeinsames als Trennendes": Mit diesem Appell zur Überbrückung der aktuellen Grabenkämpfe rund um die für 2021 angekündigte Einführung des Ethikunterrichtes als alternatives Pflichtfach hat sich der Grazer Religionspädagoge Prof. Wolfgang Weirer zu Wort gemeldet. Ein konfrontatives Gegeneinander-Ausspielen der Fächer übersehe das gemeinsame Anliegen, "ein gelingendes Leben der Schülerinnen und Schüler und ein friedvolles Miteinander in der Gesellschaft" zu fördern, heißt es in einer Stellungnahme Weirers gegenüber Kathpress. Ein Schulterschluss sei vor diesem Hintergrund und der Realität einer "plural gewordenen Schule" sowohl unter den "verschiedenen Religionsunterrichten" als auch zwischen Ethik- und Religionsunterricht notwendig.
Hintergrund der Wortmeldung Weirers war eine Äußerung der ehemaligen Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte, Susanne Wiesinger, bei einem Pressegespräch am Mittwoch in Wien. Dabei hatte sich Wiesinger für die Einführung eines Ethikunterrichtes für alle Schüler ab der Volksschule ausgesprochen und ihre Forderung mit dem Hinweis "Religionen spalten und führen nicht zusammen" begründet. Diese Diagnose zeuge laut Weirer, der u.a. das Fachmagazin "Österreichisches Religionspädagogisches Forum" (ÖRF) leitet, von einem veralteten Bild des Religionsunterrichtes: Diesem Bild zufolge sei der Religionsunterricht nichts anderes als der "verlängerte Arm von Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Schule".
Dagegen sei für den heutigen, modernen Religionsunterricht ein ganz anderes Verständnis leitend, nämlich die Auseinandersetzung mit Themen, "die alle Menschen gleichermaßen und unbedingt angehen". Dies umfasse Fragen der Orientierung und des moralischen Handelns ebenso wie Fragen des Lebenssinns, des Strebens nach Glück und einem gelingenden Leben. "Ein auf Indoktrination ausgerichteter Unterricht ist mit einem modernen Bildungsverständnis nicht vereinbar und hat in der Schule keinen Platz".
Am Mittwoch hatte Bildungsminister Heinz Faßmann die Einführung eines Ethikunterrichtes für "Religionsabmelder" und Konfessionslose ab dem Schuljahr 2021/22 bestätigt. Auf die Frage, warum der Ethikunterricht nur jenen "Religionsabmeldern" und Konfessionslose vorbehalten bleibe, sagte Faßmann, dass diese Jugendlichen "im Unterschied zu allen, die den Religionsunterricht besuchen, keine Möglichkeit zur gezielten Befassung mit Grundfragen des Lebens sowie unterschiedlichen ethischen, religionsgeschichtlichen u.ä. Fragestellungen im Unterricht haben".
Quelle: kathpress