Debatte um Papstschreiben zu Amazonas-Synode geht weiter
Die ersten Reaktionen auf das Papstschreiben "Querida Amazonia" vom vergangenen Mittwoch lassen sich grob skizzieren als Genugtuung auf konservativer Seite und teils stillem, teils lautem Frust bei Liberalen. Grund dafür ist die Tatsache, dass Franziskus Vorschläge der Synodenväter vom Oktober zur Lockerung des Pflichtzölibats für Priester und zum Diakonat für Frauen nicht aufgreift.
Die während der Synode ebenfalls heftig geführte Debatte um die Aufnahme indigener Traditionen, einen amazonischen Ritus, spielt in der Diskussion über das postsynodale Schreiben derzeit eine ähnlich untergeordnete Rolle wie Ökologie, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte. Dabei widmet sich der Papst in seiner nachsynodalen Exhortation diesen Themen ausführlich und äußerte sich enttäuscht über die oft einseitige Rezeption seines Schreibens.
Für manche nach Reformen dürstende Christen hat sich Franziskus erneut als Zauderer entpuppt, der sich von traditioneller Seite ausbremsen lässt. Wie als Beleg dazu berichtete am Sonntag die Zeitung "Corriere della Sera" über einen handschriftlichen Dank des Papstes an den deutschen Gerhard Ludwig Müller.
"Querido hermano" - lieber Bruder -, beginnen demnach die wenigen Zeilen an den von Franziskus im Juli 2017 geschassten Präfekten der Glaubenskongregation. Darin dankt er für dessen Kommentar zu "Querida Amazonia": "der hat mir gefallen". Dabei hatte der Kardinal rund um die Synode mit teils heftiger Kritik an seiner Ansicht nach liberalen oder gar häretischen Tendenzen nicht hinter dem Berg gehalten.
Das nachsynodale Papstschreiben indes lobte Müller als "Dokument der Versöhnung". In einem für die US-amerikanische Website "National Catholic Register" und für "Die Tagespost" verfassten Kommentar schrieb Müller, Franziskus ziehe nach der Amazonien-Synode "nicht irgendwelche dramatischen und umstürzenden Konsequenzen". Vielmehr wolle er der Kirche und allen Menschen guten Willens seine Antworten anbieten als Hilfe für eine "harmonische, kreative und fruchtbare Rezeption des gesamten synodalen Prozesses". Keinesfalls wolle der Papst Konflikte anheizen.
Knackpunkt der Debatte
Ein Knackpunkt der Debatte um "Querida Amazonia" ist dessen Verhältnis zum im vergangenen Oktober beschlossenen Abschlussdokument der Synode. Er habe nicht vor, dieses "zu ersetzen oder zu wiederholen", schreibt Franziskus in seinem nachsynodalen Dokument. Vielmehr wolle er "nur einen groben Rahmen für die Reflexion bieten" und "das Schlussdokument offiziell vorstellen".
Was genau dies bedeutet, darüber schienen sich bei der Vorstellung des Schreibens im vatikanischen Pressesaal am 12. Februar selbst zwei Hauptverantwortliche der Synode, die Kardinäle Lorenzo Baldisseri und Michael Czerny, zeitweise nicht ganz einig. Ist es nun Teil des päpstlichen Lehramts oder nicht, hebt Franziskus das Abschlussdokument auf oder sollen die aufgeworfenen Fragen und Ideen weitergeführt werden?
Für den italienischen Theologen Antonio Spadaro, Chefredakteur der Jesuitenzeitschrift "Civilta Cattolica", ist der Franziskus-Kniff eine Premiere. Erstmals werde "ein Dokument mit solch lehramtlicher Bedeutung als ein Text vorgestellt, der einen anderen - das Abschlussdokument der Synode - 'begleitet'". Damit wolle der Papst den auf der Synode begonnen Weg des Zuhörens und sorgfältiger Unterscheidung weiterführen, schreibt Spadaro in einem umfangreichen Kommentar. Als Vertrauter von Franziskus ist Spadaro so etwas wie "His Pontiff's Voice" - wenn auch nicht offiziell.
"Dialektische Annäherung an die Realität"
Zusätzlich verweist Spadaro auf einen Absatz gegen Ende von "Querida Amazonia". Demnach sollen Fragen, für die es gegensätzliche Antwortvorschläge gibt, weiter reifen. Dann könnten sie später auf teils ungeahnte Weise gelöst und versöhnt werden. Dies gilt laut Spadaro auch, aber nicht nur für die Frage verheirateter Priester oder neuer Ämter für Frauen als mögliche Antworten auf das Problem der Seelsorge in den unzugänglichen Weiten Amazoniens.
"Diese dialektische Annäherung an die Realität", so Spadaro, "ist für Franziskus ein Handlungskriterium, ein grundlegendes Element pastoraler Unterscheidung". Folglich gehe der synodale Prozess nach dem jüngsten Papstschreiben weiter. Seine Einschätzung deckt sich mit der von Mauricio Lopez, dem Generalsekretär des länderübergreifenden kirchlichen Netzwerks Repam (Red Eclesial Panamazonica). Auch er sieht "eine Einladung, weiterhin Wege und Kanäle einzurichten", die etwa zu einer ausnahmsweisen Lockerung der Zölibatspflicht führen könnten.
Während Spadaro, Lopez und andere die Hoffnung auf mögliche Änderungen der Zulassungsbedingungen fürs Priesteramt oder neue Ämter für Frauen wach halten, ist für Kardinal Müller und andere die Sache klar. Franziskus habe sich eben nicht entschieden für eine "Lösung, die viele allzu pragmatisch in der Weihe von viri probati anpreisen", so der Kardinal. Dem Papst scheint es recht zu sein, wenn die Debatte gesittet weitergeht.
Quelle: kathpress