Tück: Papst gibt mit "Querida Amazonia" Bedrängten seine Stimme
Papst Franziskus gibt mit seinem postsynodalen Schreiben "Querida Amazonia" (Geliebtes Amazonien) "der Not einer ökologisch bedrängten, wirtschaftlich ausgebeuteten, sozial missachteten Bevölkerung seine Stimme". Das hält der Wiener Dogmatiker Prof. Jan-Heiner Tück am Mittwoch in einer ersten Stellungnahme zum Papstschreiben gegenüber "Kathpress" fest. Zugleich enthalte das Schreiben freilich auch so manche Enttäuschungen, wie der Theologe darlegt. Papst Franziskus habe "entschieden, nicht zu entscheiden". Tück:
Keine Lockerung des Pflichtzölibats, keine viri probati, nichts. Er lehnt den Abschlussbericht der Amazonien-Synode in diesem Punkt nicht ab, er befürwortet ihn aber auch nicht. Franziskus hält damit Wort - und enttäuscht.
Der Papst halte Wort, dass mit ihm ein "optionaler Zölibat" nicht zu haben ist, dass er das Wort von Papst Paul VI. "mutig" findet, eher sterben zu wollen als den Pflichtzölibat zu lockern. Er enttäusche, weil er - anders als die Mehrheit der Synodalen - nicht einmal in entlegenen Grenzregionen eine behutsame Ausnahme vom Pflichtzölibat zulässt.
Viele würden nun fragen: Wozu die freundliche Aufforderung an die Bischöfe, ihm "mutige Vorschläge" zu unterbreiten? Wozu der erhebliche Aufwand einer vierwöchigen Synode in Rom, wenn am Ende alles beim Alten bleibe?
Doch dem hält Tück auch die Frage entgegen: "Bleibt wirklich alles beim Alten, nur weil Franziskus den Alarmismus mancher Theologen und Bischöfe, dass die Kirche nach der Amazonien-Synode nichts mehr so sein könne wie vorher, ins Leere laufen lässt? Vielleicht hält er die Zeit für eine Entscheidung noch nicht gekommen." Vielleicht fühle er sich seinem Vorgänger Benedikt XVI. doch enger verbunden als man meinte. Vielleicht wolle er "den eurozentrischen Blick irritieren und auf das geschundene Antlitz der Kirche Amazoniens verweisen", mutmaßt der Wiener Dogmatiker.
Kirche Amazoniens mit eigenem Antlitz
Der Papst bediene nicht die Reform-Agenden des Synodalen Weges in Deutschland und anderer Initiativen, so Tück:
In dieser provozierenden Weigerung dürfte das Bemühen stehen, den Begriff der Reform zu weiten.
Schon in seinem "Brief an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland" vom Juni 2019 habe der Papst an sein Kernanliegen erinnert: die Evangelisierung.
Sein Traum von einer Kirche Amazoniens mit eigenem Antlitz umfasse neben einem Ritus für die Region auch die Hoffnung auf eine lebendige Weitergabe des Glaubens durch engagierte Frauen und Männer, Laien und Kleriker. Franziskus wünsche sich mehr ständige Diakone und warne zugleich vor einer funktionalistischen Engführung und einer "Klerikalisierung der Frauen". Nebenbei formuliere er auch eine "scharfe Absage an einen Eifer für das Heilige, der die indigene Kultur mit Verachtung behandelt", so Tück:
Die Bilderstürmerei während der Synode - ein Aktivist hatte indigene Statuen im Tiber versenkt - findet damit einen pontifikalen Kommentar, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.
Der Papst zitiert Gedichte
Zuletzt verweist der Dogmatiker auf den ungewöhnlichen Stil des Papstschreibens: Statt dogmatischer Weisungen oder disziplinarischer Regelungen, die man von einem Papst erwarten würde, zitiere Franziskus Gedichte. Indigene und lateinamerikanische Stimmen der Literatur lasse er die bedrohte Schönheit Amazoniens poetisch ins Wort bringen. Tück dazu:
Die extensive Einbeziehung der Dichtung ins Genre des lehramtlichen Sprechens ist neu. Der Papst will offensichtlich die Wahrnehmung für die Leiden schärfen, den Blick auf das Übersehene lenken, zur Umkehr einladen.
Quelle: kathpress