"Ohne Kardinal Schönborn gäbe es kein Kardinal König-Archiv"
Was bleibt, wenn Kardinal Christoph Schönborn offiziell "abtritt" und als Wiener Erzbischof emeritiert wird? Frühere Generationen von Bischöfen haben sich unter anderem durch rege Bautätigkeit ein Denkmal gesetzt. Kardinal Schönborn schlug diesbezüglich leisere Töne an, die dafür aber lange nachklingen werden - etwa in Form der modernisierten Wiener diözesanen Archive. Das ist jedenfalls die Überzeugung von Annemarie Fenzl, langjährige Wiener Diözesanarchivarin und rechte Hand von Kardinal Franz König, die am kommenden Freitag, 7. Februar, ihren 75. Geburtstag feiern wird. Bis heute leitet sie - ehrenamtlich - das in einem eigenen Gebäudeteil im Wiener Erzbischöflichen Palais untergebrachte Kardinal König-Archiv, das in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert.
Die Modernisierung des Wiener Archivwesens - "ein verborgener Schatz jeder Diözese" - sei eines der großen, wenn auch oft nur am Rande wahrgenommenen Leistungen von Kardinal Schönborn gewesen, so Fenzl im Gespräch mit Kathpress: "Man kann es ohne Umschweife auf den Punkt bringen: Ohne Kardinal Schönborn gäbe es kein Kardinal König-Archiv". Auch wenn sich dieses seit seiner Eröffnung 2010 bis heute infolge zahlreicher unterschiedlichster Initiativen weiterhin im Aufbau befinde - es umfasst neben der Bibliothek des Kardinals rund 2.000 Archivschachteln aus den Jahren zwischen 1956 und dem Tod Kardinal Königs 2004, mit persönlichen Dokumenten, Fotos, sowie zahlreichen dreidimensionalen Gegenständen, vor allem aber auch Amtsaktenbeständen diözesaner und überdiözesaner Provenienz, besonders des Zweiten Vatikanischen Konzils, - sei es doch ein Projekt mit internationalem Renommee. Aber obwohl zunehmend benutzbar, werde es laut Fenzl auch in den nächsten Jahren noch "work in progress" bleiben.
Wichtiger aber sei das zweite, in Umsetzung befindliche und von Kardinal Schönborn angestoßene Archiv-Großprojekt der Erzdiözese Wien: Die Übersiedlung des archivarischen Gesamtbestandes, der Zeugnis von der bewegten Geschichte der Erzdiözese, aber auch des Landes insgesamt gibt und bis ins 13. Jahrhundert, lange vor der Diözesangründung 1469, zurückreicht. Nach langjähriger Planung und baulicher Vorbereitung von rund 1.100 Quadratmetern im Kellergewölbe des Wiener Erzbischöflichen Palais hat mit 1. November des vergangenen Jahres die auf ein Jahr angesetzte Phase der Übersiedelung des Gesamtarchivs unter neuer Leitung der Historikerin und Archivleiterin Johanna Kößler in die neuen Räume begonnen.
Seit 50 Jahren im Dienst der Erzdiözese
Fenzl, die seit fast einem halben Jahrhundert im Dienst der Erzdiözese steht und seit ihrer Pensionierung vor 10 Jahren das Kardinal König-Archiv ehrenamtlich leitet, feiert in diesen Tagen ihren 75. Geburtstag: Geboren am 7. Februar 1945 und aufgewachsen im 15. Wiener Gemeindebezirk, begann Fenzl ihre berufliche Tätigkeit 1965 zunächst studienbegleitend als freie Mitarbeiterin im Archiv der Erzdiözese Wien. 1969 wurde sie als Assistentin des Diözesanarchivs bestellt, 1976 übernahm sie schließlich die Gesamtleitung. 1986 übernahm sie außerdem die Leitung des Büros des damals frisch emeritierten Wiener Erzbischofs, Kardinal Franz König.
In der Folge wurde sie zur engsten Mitarbeiterin des Kardinals, und auch nach seinem Tod 2004 gilt sie bis heute als profilierteste Kennerin und Vertreterin der Anliegen Kardinal Königs. Maßgeblich beteiligt war und ist Annemarie Fenzl bis heute neben der Weiterentwicklung des "Kardinal König-Archivs" auch im Kuratorium der "Kardinal-König-Stiftung", die sich die Bewahrung des geistigen Erbes des Kardinals zur Aufgabe gemacht hat. Ebenfalls auf die Initiative Fenzls geht die Website www.kardinalkoenig.at zurück, die neben den Lebensdaten auch ein Werkverzeichnis und bekannte Texte zu gesellschaftspolitischen und theologischen Fragen des Kardinals enthält - sich aber derzeit in Überarbeitung befindet.
Am Herzen liegt ihr besonders auch die Einrichtung einer Gedenkstätte in Rabenstein, dem Geburtsort des Kardinals, unmittelbar neben der Pfarrkirche, in der heute noch der Taufstein an die Aufnahme des kleinen Franz am 5. August 1905 in die Gemeinschaft der katholischen Kirche erinnert, für die er in seinem späteren Leben noch viel Kraft einsetzen sollte.
"Sie brauchen einen festen Glauben"
In einem persönlichen Rückblick auf ihre vielen Jahre im Dienst der Erzdiözese Wien benannte Fenzl schließlich drei zentrale "Lehren" bzw. Einsichten, die sie aus dieser Zeit gewonnen habe: Zum einen seien ihr im Blick auf die wechselvolle Geschichte der Erzdiözese wie der Kirche in Österreich und weltweit insgesamt, die Höhen-, aber zuletzt auch immer wieder Tiefpunkte und Krisen erlebte, bis heute die mahnenden Worte ihrer ersten Vorgesetzten im Jahr 1965 im Ohr geblieben, die ihr zum Einstieg damals den Ratschlag gegeben habe: "Wenn Sie für die Kirche arbeiten wollen, brauchen Sie einen festen Glauben" - ein Ratschlag, den sie heute immer besser verstehe, so Fenzl.
Eine weitere "Lehre" liege für sie in einer Aussage des 1984 verstorbenen früheren Erzbischof-Koadjutors Franz Jachym, ihres unmittelbaren "Chefs" als Generalvikar. Dieser, "ein sehr kluger und menschlicher Priester und Vorgesetzter", habe ihr einmal unter Verweis auf die vielen Jahre, die er im Dienst der Erzdiözese Wien verbracht habe, wohl aus eigener Erfahrung, gesagt: "Im Lauf der Zeit wird man langsam einsamer, neue Leute kommen und gehen - aber man arbeitet mit ihnen um der Liebe Christi willen gerne zusammen". Dies könne sie, als "Urgestein" der Erzdiözese Wien, nur bestätigen.
Und schließlich erinnerte Fenzl im Gespräch an ein Wort von Kardinal König, als dieser einmal nach einer Begegnung mit dem des Missbrauchs bezichtigten Kardinals Hans Hermann Groër (1919-2003) nachdenklich bewegt zu ihr meinte: "Gott sei Dank müssen wir nicht Richter sein". Auch dieses Wort verfolge sie seither, räumte Fenzl ein, da es bei allen Krisen und Abgründen, die sich auch in der Kirche immer wieder auftäten, Gott allein ein letztgültiges Recht und die Macht einräume, alles menschliche Tun endgültig zu bewerten und so manches Unverständliche doch noch zu wenden.
Quelle: kathpress