Glettler: Christen zur Aufnahme von "Schiffbrüchigen" beauftragt
Auftrag und Berufung der christlichen Kirchen ist nach den Worten des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler, "einander und die Menschen unserer Zeit - wie auch immer von Schiffbrüchen gezeichnet - menschenfreundlich aufzunehmen". Flüchtlinge wie auch Menschen mit anderen Überlebensängsten, fehlendem Selbstwert oder psychischen Krankheiten, in Arbeitslosigkeit oder in zerbrochenen Beziehungen, sollten bei den Kirchen "Aufnahme und Rettung" erfahren, forderte der Tiroler Oberhirte am Donnerstagabend bei einem ökumenischen Gottesdienst, der anlässlich der "Gebetswoche für die Einheit der Christen" in der Lienzer Martin-Luther-Kirche gefeiert wurde.
Glettler bezog sich in seiner Predigt auf den Bibeltext vom Schiffbruch des Apostels Paulus vor Malta und dessen freundliche Aufnahme durch die Inselbewohner. Das Geschilderte sei "erstaunlich aktuell", verwies der Bischof auf heutige Flüchtlingstragödien rund um die Mittelmeerinsel. Es gelte der "Versuchung des Wohlstands, das Elend der Welt höchstens noch aus sicherer Entfernung zu kommentieren", zu widerstehen, forderte Glettler. Die nötige Haltung sei in dieser Situation vielmehr eine "echte Gastfreundschaft" mit Interesse für den Gast, die mehr sein müsse als eine nur oberflächliche Freundlichkeit, denn: "Wir dürfen einander nicht aufgeben."
Den Bibeltext aus der Apostelgeschichte (nachzulesen in Kapitel 27,17ff.) bezeichnete Glettler als einen Appell zur Einheit der Christen: "Wir werden als Gemeinschaft gerettet werden, nicht einzeln - auch wenn das Schiff zerbrechen wird." Die Kirche sei wie ein Schiff, das sich in seiner Gestalt verändere - "manches muss zerschellen" - wobei der Glaube an Gottes Führung "Kraft für die nötigen Veränderungsprozesse" gebe. Die Schiffsbesatzung sei kein Zufall, sondern eine von Gott ausgewählte "Schicksalsgemeinschaft", so der Bischof, und weiter: "Wir brauchen einander! Und die Aufnahmekapazitäten sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft."
Zu dieser Gemeinschaft gehörten auch die Flüchtlinge, sowie die "verängstigte Belegschaft", stellvertretend für eigene Unsicherheiten und Ängste mit dem Thema. Nie dürfe es um "Fälle, die zu erledigen sind" gehen, sondern es handle sich stets um konkrete Menschen, unterstrich Glettler:
Menschen mit konkreten Geschichten, mit ihren spezifischen Wunden und zerbrochenen Sehnsüchten. Gott mutet uns auch hier in Tirol diese ganz spezifische, bunte Gemeinschaft zu. Das gilt ebenso für die Nachbarschaft, für das Dorf, für die eigene Familie und Verwandtschaft - und mit Gewissheit auch für uns als christliche Kirchen - wir gehören zusammen! Wir sind einander von Gott geschenkt.
Die Kirchen dürften nicht zu einem zur Rettung von Schiffbrüchigen gegründeten Vereins verkommen, der erfolgreich wurde und sich etablierte, dann aber auf seine Berufung vergaß, mahnte Glettler.
Vereinsstrukturen, Mitgliederehrungen und das öffentliche Ansehen wurden wichtiger. Clubhäuser wurden gebaut. Ein neuer Verein musste gegründet werden, um die ursprüngliche Aufgabe wahrzunehmen. Und nach relativ kurzer Zeit erlitt er dasselbe Schicksal.
Derartiger Versuchungen gelte es zu widerstehen, sei die menschenfreundliche Aufnahme doch klarer Auftrag von Jesus.
Die jährlich Ende Jänner weltweit abgehaltene "Gebetswoche um die Einheit der Christen" hat heuer den thematischen Schwerpunkt Flucht und Migration. Sie versammelt Christen unterschiedlicher Konfessionen in gemeinsamen Gottesdiensten, die in Österreich in allen Landeshauptstädten und vielen weiteren Orten stattfinden. Ähnlich wie Bischof Glettler bei der Lienzer Ökumene-Feier, an der weiters auch der evangelische Pfarrer Hans Hecht und Dekan Franz Troyer teilnahmen, hatte vergangenen Mittwoch auch Papst Franziskus die christlichen Kirchen zum gemeinsamen Einsatz für Flüchtlinge und Migranten aufgerufen. Deren Aufnahme sei eine "wichtige ökumenische Tugend", so der Papst.
Quelle: kathpress