Landau in Rumänien: Für nachhaltige Hilfe bei Kindern ansetzen
Man muss bei den Kindern ansetzen, um dem 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs immer noch eklatanten Wohlstandsgefälle zwischen Ost- und Westeuropa beizukommen. Das hat Caritas-Präsident Michael Landau bei einer Pressekonferenz zum Auftakt der diesjährigen Februar-Sammlung der Caritas betont. Schauplatz war das Revolutionsmuseum im rumänischen Temeswar/Timisoara, wo knapp vor Weihnachten 1989 der Fall des kommunistischen Ceausescu-Regimes seinen Ausgangspunkt nahm. Dass die Caritas nicht nur bedürftigen Kindern Lebenschancen ermöglicht, sondern auch alten und obdachlosen Menschen beisteht, wurde bei einer Pressereise zu Hilfsprojekten in Rumänien deutlich.
Mit Landau warben Andreas Knapp, der neue Caritas-Generalsekretär für Internationale Programme auf seiner ersten Dienstreise, und Herbert Grün, Direktor der Caritas Timisoara, um Solidarität im Rahmen der alljährlichen Osthilfe-Spendenkampagne. Schon um 20 Euro können Spender ein armutsbetroffenes rumänisches Kind einen Monat lang satt machen, wird es auf den dazu verbreiteten Werbebotschaften heißen.
Besuche der österreichischen Journalistengruppe im Kinderheim in Stremt und in den Kindertagesstätten "Maria Stein" in der kriselnden Bergbaustadt Petrosani und in Bacova in der Region Banat verdeutlichten nach den Worten Landaus das Anliegen der dortigen Caritas-Partner, Kindern Geborgenheit und zugleich Zukunftsperspektiven zu bieten. Viele von ihnen seien "Sozialwaisen", weil ihre Eltern als Arbeitsmigranten in Westeuropa tätig sind. In den besuchten Einrichtungen bekämen sie eine warme Mahlzeit und Lernunterstützung und dürften zugleich unter ihresgleichen unbeschwert "Kind sein", so Landau.
Durch Arbeitsmigration entvölkerte Dörfer
In den gefürchteten Kinderhäusern im Rumänien Ceausescus betrug die Sterberate 25 Prozent, verwies der Caritas-Präsident auf die dunkle Vergangenheit des Balkanlandes in Bezug auf den Umgang mit Kindern. Heute gebe es eine Unzahl von Unter-18-Jährigen - Schätzungen reichen bis 250.000 -, deren Eltern durch Arbeit im Ausland das Familieneinkommen aufbessern. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Stundenbruttolohn beträgt laut Eurostat in Rumänien nicht einmal 3 Euro, in Österreich sowie in den anderen Euro-Ländern rund 14 Euro. Durch Arbeitsmigration entvölkerte Dörfer seien die Folge - mit zurückgelassenen Kindern und unversorgten Alten, so Landau.
Österreichs Gesundheitswesen und die Pflege hierzulande - auch die von der Caritas angebotene - würden ohne ausländische Hilfskräfte zusammenbrechen, die wiederum um den Preis lose werdender Beziehungen ihre Familien absichern, erklärte der Caritas-Chef. Er sei sowohl gegen Druck auf Pflegebedürftige in Österreich als auch auf Frauen, die durch Arbeit im Ausland ihre Lage verbessern wollen. Langfristig gelte es Arbeitsmigration durch den Ausgleich des Wohlstandgefälles und durch Anreize zur Pflege-Selbstversorgung im eigenen Land abzubauen. Und wenn Arbeitsmigration, dann unter möglichst fairen Bedingungen, machte Landau auf ein Thema der Caritas auch auf europäischer Ebene aufmerksam. Das bedeute z.B. gemeinsame Qualifizierungsprogramme mit den Herkunftsländern, geteilte Einsätze in beiden Ländern, dabei nicht auf Mütter kleiner Kinder zurückgreifen... - "auch wir sind da noch am Suchen und Entwickeln", sagte Landau.
An die neue türkis-grüne Regierung richtete der Caritas-Präsident die "Bitte", die seit einem Jahr geltende Indexierung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder zu überdenken. Und die EU sollte nicht nur in Straßen und in die Wirtschaft eines ihrer ärmsten Mitgliedsländer investieren, sondern auch so etwas wie "soziale Maastrichtkriterien" vorsehen. "Die Geburtslotterie meint es nicht mit allen gut" in Europa, wies Landau hin und unterstrich den Grundsatz der Caritas-Hilfe: "Ein Kind ist ein Kind - egal wo seine Wiege stand."
Auch 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention
Caritas-Auslandshilfechef Andreas Knapp machte bei der Pressekonferenz anlässlich der Kampagne gegen Kinderarmut auf ein weiteres 30-Jahr-Jubiläum aufmerksam: Kurz vor der Revolution in Rumänien war 1989 die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet worden. Sie bilde bis heute eine wichtige Grundlage, um Kindern eine gute Zukunft zu sichern, so der frühere UNICEF-Mitarbeiter. In Rumänien, aber auch in von Gewalt geprägten Krisenstaaten wie Syrien oder Südsudan gelte es zu verhindern, dass es eine "lost generation" gibt. Jedes fünfte Kind beziehungsweise 387 Millionen Kinder leben laut UNICEF weltweit in bitterer Armut und Krisensituationen. Für Europa forderte Knapp Solidarität ein: die "klimafreundliche Anreise" der österreichischen Journalisten per Bahn habe verdeutlicht, "dass wir hier bei Nachbarn sind".
Caritas-Direktor Herbert Grün sagte als "Gastgeber", die vorbildlichen, von Österreich aus unterstützten Hilfsprojekte in Rumänien hätten Strahlkraft und Vorbildwirkung für das ganze Land. Initiativen wie die Caritasfarm in Bacova, ein Beschäftigungsprojekt für Obdachlose, bemühten sich erfolgreich darum, die Lebensqualität für Ausgegrenzte zu verbessern. Und Temeswar - eine der europäischen Kulturhauptstädte 2021 - erlebe einen Aufbruch, für den das an die blutigen Aufstände von 1989 erinnernde Revolutionsmuseum, aber auch das mithilfe der Caritas vom Wiener Unfallchirurgen Johannes Poigenfürst errichtete Unfallkrankenhaus Casa Austria ein Symbol sei.
Rumänien seit 1989 Schwerpunktland
Das Engagement der österreichischen Caritas in Rumänien begann kurz nach der Revolution. Erst wurde Nothilfe in dem von Nicolae Ceausescu (1918-1989) ein Vierteljahrhundert lang geknechteten Land geleistet, danach begannen nachhaltige, kontinuierliche Projekte diözesaner Organisationen: Die Caritas Oberösterreich kooperiert eng mit der 1990 gegründeten Caritas Alba Iulia/Karlsburg in Siebenbürgen, die Caritas Steiermark mit jener in Temeswar; Caritas-OÖ-Länderreferent Christoph Mülleder und Brigitte Kroutil-Krenn, Leiterin der Auslandshilfe der Caritas Steiermark, begleiteten die Pressereise organisatorisch.
Seit 1989 gibt es darüber hinaus enge Partnerschaften zwischen der Caritas Innsbruck und der Caritas Satu Mare im Norden Rumäniens sowie zwischen der Wiener Caritas und jener von Iasi im Osten.
Die Caritas bittet im Zuge ihrer Osthilfe-Kampagne um Spenden: Mit 20 Euro im Monat schenken Geldgeber einem Kind täglich eine warme Suppe im Kinderzentrum; für 50 Euro kommen dazu Lernbetreuung, pädagogische Förderung und Freizeitgestaltung im Kinderzentrum dazu. (Caritas-Spendenkonto: IBAN AT23 2011 1000 0123 4560, BIC GIBAATWWXXX, Kennwort "Kinder in Not"; Online-Spenden: www.caritas.at/kinder)
Quelle: kathpress