Auch Nicolas soll seine Chance erhalten
Nicolas war drei Jahre alt, als er in das Kinderheim Hl. Ghelasius kam. Er sprach damals nicht, aber er schrie, wenn er sich zum Waschen ausziehen sollte. Das war vor drei Jahren. Heute ist Nicolas noch schüchtern an der Hand seiner Betreuerin, aber freundlich und allmählich auskunftsbereit; er ist einer von 16 Schützlingen im Heim der Caritas Alba Iulia im siebenbürgischen Dorf Stremt, die eines gemeinsam haben: Ihre Eltern sind zu arm, zu beschäftigt, oft auch zu alkoholisiert und gewalttätig, um ihren Kindern ein sicheres Zuhause bieten zu können. In solchen Fällen greifen die rumänischen Behörden ein und weisen die Kinder anderen zu: die ganz kleinen Pflegemüttern, ältere kommen in Einrichtungen wie jene in Stremt.
Die örtliche Caritas will mit Hilfe ihrer Partner in Österreich - die Caritas Oberösterreich kooperiert eng mit ihrer 1990 gegründeten Schwesterorganisation in Alba Iulia - möglichst vielen Kindern einen guten Start in ein glückliches Leben ermöglichen. "Die Geburtslotterie meint es nicht mit allen gut" in Europa, wies Caritas-Präsident Michael Landau jüngst bei einem Lokalaugenschein anlässlich der alljährlichen Osthilfe-Spendenkampagne hin. Der Schwerpunkt heuer: Kinderarmut. Hilfe müsse Grenzen überschreiten, denn "ein Kind ist ein Kind - egal wo seine Wiege stand", so Landau.
Auch Nicolas soll seine Chance erhalten. Seine Eltern arbeiten in England, ließen ihn und seine beiden jetzt ebenfalls in Heimen untergebrachten Geschwister bei den überforderten Großeltern zurück, erzählt Heimleiterin Mihaela Cristea. Kontakt mit ihren Sprösslingen haben sie nur sporadisch via Skype, und es gab sogar Zeiten, da sich der kleine Nicolas - ein Angehöriger der Roma-Minderheit - auf der Straße bzw. im Wartesälen herumtrieb. Ob er schon so weit ist, im Herbst mit der Schule zu beginnen, werde noch entschieden, hieß es.
Anfangs protestieren die Eltern noch
Das einfache, aber wohnliche Kinderheim Hl. Ghelasius wird seit 2011 von der Caritas betrieben, 16 Kinder und Jugendliche bis zum Ende ihrer Ausbildung leben heute hier. Davor herrschte hier Massenbetrieb mit 50 Schützlingen, ganz nach dem Muster der berüchtigten Kinderheime der unseligen Ära Nicolae Ceausescus. Wie damals ist Armut der Eltern auch heute noch der häufigste Grund für Kindesabnahmen. Anfangs wehren sich die Eltern noch, gewöhnen sich aber bald an die "Bequemlichkeit", ein Mäulchen weniger stopfen zu sollen, berichtet Mihaela Cristea den aus Österreich angereisten Presseleuten.
Doch Kinder sind treu, den Verlust der familiären Einbindung beschreibt die gelernte Sozialarbeiterin als größtes Problem in ihrer Arbeit. Wenn die Kinder etwa in Ferienzeiten eine kurze Zeit wieder im Elternhaus verbringen, erleben sie bittere Armut, kehren aber meist idealisierend zurück. "Nichts kann die Eltern ersetzen", weiß Mihaela. Sie und ihre acht Mitarbeiter versuchen ihren Schützlingen zwischen 3 und 26 Jahren ein sicheres Zuhause mit viel menschlicher Wärme zu geben, sie zu fördern und gleichzeitig Rückhalt zu bieten. Die Kinder gehen zur Schule, machen Berufsausbildungen, vier der 45 bisherigen Bewohner schafften es sogar auf die Universität. Beim Wechsel in die Selbstständigkeit bekommen sie ein Startkapital für drei Monatsmieten, zugute kommt dann, dass sie im Caritas-Heim Kochen und Nähen lernten.
Armutsrisiko für Roma liegt bei 84 Prozent
85 Prozent der Heimkinder sind Roma. Sie haben es im ohnehin armen Rumänien besonders schwer. Andras Marton, Direktor der Caritas Alba Iulia, belegte dies mit Zahlen: Das Armutsrisiko in Rumänien - das höchste in der EU - betrage 40 Prozent, für die vielerorts ausgegrenzten Roma liege es allerdings bei 84 Prozent. Und wie die Eltern von Nicolas versuchen viele Rumänen, mit Arbeit im Ausland den kargen Löhnen zu entkommen: Drei von zehn Rumänen leben nicht zuhause, allein in den letzten beiden Jahren verließen 621.000 meist noch junge Arbeitskräfte das Balkanland Richtung Westen, informierte Marton. Auch für die Caritas sei es zunehmend schwer, geeignete Mitarbeiter zu finden, erst recht, seit der Staat die Löhne für öffentlich Angestellte stark erhöhte und Private wie die Caritas da nicht mitkönnen.
Ein weiteres Problem laut dem Caritas-Verantwortlichen: Die Regierung übertrug die Verantwortung für Soziales an die rumänischen Regionen, ohne diese aber mit entsprechenden Mitteln auszustatten. Dabei betragen die Ausgaben Rumäniens für Bildung, Gesundheit und Soziales prozentuelle ohnehin nur die Hälfte des sonst in der EU Üblichen. Die mit erhöhten Lohnkosten belasteten Kommunen reduzieren ihre sozialen Dienstleistungen, NGOs wie die Caritas haben große Probleme, ihre Hilfsprogramme im gewohnten Umfang fortzuführen.
Um Bedürftigen wie den Kindern im Ghelasius-Heim weiterhin im benötigten Ausmaß helfen zu können, ist die Caritas auf Spenden aus dem Ausland angewiesen. Die Caritas Österreich und die in verschiedenen rumänischen Diözesen engagierten Caritas-Organisationen in Linz, Graz-Seckau, Innsbruck und Wien bitten um Spenden (Konto: IBAN AT23 2011 1000 0123 4560, Kennwort: "Kinder in Not"; Online-Spenden: www.caritas.at/kinder)
Quelle: kathpress