Caritas-Haus "Maria Stein": Fundament für bessere Zukunft
Auch das ist Europa: Hausen mit zwei Kindern in einem baufälligen Haus mit feuchten Wänden, und das bei Minusgraden im einzigen bewohnbaren, weil geheizten Raum. Die 48-jährige, deutlich älter aussehende Frau, die das ertragen muss, heißt Elena Balan und lebt in Petrosani, im kriselnden ehemaligen Bergbauzentrum Rumäniens.
Es wird eng im ca. 15 Quadratmeter großen Zimmer, als vier Mitglieder einer Journalistengruppe aus Österreich Elena und ihre beiden Söhne Stefan (10) und Vladut (8) besuchen. Die Medienleute sind auf Lokalaugenschein bei Caritas-Projekten in Rumänien wie der Kindertagesstätte "Maria Stein" im Zentrum der Stadt, wo Kindern nach der Schule ein warmes Essen, Unterstützung beim Lernen und gemeinschaftsbildende Freizeitgestaltung geboten wird. Kinderarmut ist auch das Schwerpunktthema der im Februar durchgeführten alljährlichen Osthilfe-Spendenkampagne der Caritas.
Den warmen Raum im sonst unterkühlten Häuschen Elenas dominiert ein großer, zum Heizen und Kochen benutzter gemauerter Ofen; daneben ein schmales Bett, in dem sie und ihre bereits im Nachtgewand kauernden Söhne schlafen, darüber Leinen mit einer Unmenge zum Trocknen aufgehängter Wäschestücke. Die Waschmaschine ist kaputt, erzählt Elena, sie muss die schmutzige Kleidung zu ihrer nahe wohnenden Schwester zum Waschen bringen. Geld für eine Reparatur ist bei 250 Euro Sozialhilfe monatlich für alle drei keines übrig; auch die Zahnreihe Elenas hat wohl bleibende Lücken.
Schneiderin war Elena, als sie noch nicht - wie 60 Prozent der Einwohner Petrosanis - arbeitslos war. Auch in einer der ursprünglich zehn Minen, von denen noch zwei in Betrieb sind, war sie angestellt. Es ist spürbar, dass sie ihre Buben liebt und ihnen gerne mehr bieten würden. Sie ist stolz darauf, dass beide klug sind, sagt sie. Der ältere will Polizist werden und dazu auf die Akademie in Bukarest gehen, der jüngere träumt von einer Karriere als Fußballer. In "Maria Stein" fühlen sie sich wohl, versichern beide. Dort treffen Stefan und Vladut Freunde, und sie lieben die angebotenen Ferienlager.
Warum Mutter Elena seit vier Jahren alleinerziehend ist, möchte sie nicht so gerne vor den Buben besprechen. Im Vorgarten erzählt sie frierend von unangenehmen Erinnerungen an ihren früheren Mann, es ist von Alkohol die Rede, von Schlägen vor den Augen ihrer Kinder und von Polizeieinsätzen. Dem Vater wurde schließlich Kontakt- und Näherungsverbot erteilt, seit Jahren hat Elena keinen Kontakt mehr zu ihm - und ist froh darüber. Ja, sie kenne auch andere Frauen in ähnlicher Situation, aber engere Beziehungen zu Leidensgenossinnen gebe es nicht. Auch von ihrer noch lebenden Mutter und der Schwester komme wenig Unterstützung, erzählt Elena. Zum Abschied umarmt sie alle Journalisten und die begleitende Sozialarbeiterin.
Armut senkte sich wie Kohlestaub auf Häuser
Alexandru Kelemen, seit zwölf Jahren Caritas-Mitarbeiter im Kinderzentrum "Maria Stein", weiß, dass Petrosani für Sozialarbeit ein hartes Pflaster ist. Die Hälfte der Straßenkinder in Bukarest stammt aus der Kleinstadt in den Karpaten Transsylvaniens, hieß es nach dem wirtschaftlichen Kollaps der Bergbauregion. Die Minenarbeiter protestierten gegen die von der Regierung 1999 angeordnete Schließung von insgesamt 140 Minen im Jiu-Tal; umsonst - die Armut senkte sich wie zuvor der Kohlestaub auf die Häuser. Es kommt nicht selten vor, dass Kinder über mehrere Tage keinen Zugang zu Wasser und Elektrizität haben.
"Maria Stein" wirkt wie ein bunter Klecks in der Ödnis. Die Räume sind frisch ausgemalt von aus Liverpool angereisten Helfern, in den Aufenthaltsräumen der derzeit 39 betreuten Kinder herrscht fröhliches Treiben. In den Ferien nehmen die Kinder mit Begeisterung an den Caritas-Erholungslagern teil - für viele der erste Urlaub in ihrem Leben. Aber auch die Eltern sind Zielgruppe, "sie sollen zu Partnern werden", berichtet Alexandru von Bemühungen um Zusammenarbeit und Erziehungsberatung. Ein Depot im Haus hilft mit Unterrichtsmaterial und Kleidung aus. Bildung sei wichtig, aber noch mehr geht es Alexandru um "soft skills" wie Zusammenhalt, Solidarität und Selbstwertgefühl, wie er sagt. Für eine gute Zukunft braucht es gerade solche "human ressources", wie der Sozialarbeiter sagt.
Ohne "human ressources" keine Zukunft
Dass dies immer wieder gelingt, beweist die 17-jährige Tina, die schon vor zehn Jahren "Maria Stein" besuchte. Heute engagiert sich die Gymnasiastin gemeinsam mit anderen Jugendlichen im Caritas-Beratungszentrum St. Barbara ehrenamtlich, indem sie z.B. Tee an Frierende ausschenkt. Auch Tina stammt aus ärmsten Verhältnissen, ihre Mutter nennt sie "meine Heldin", da sie es ihrer Tochter trotz des Mangels "an nichts fehlen" ließ. Und der Rückhalt in "Maria Stein" habe ihr geholfen, ein Studium überhaupt ins Auge zu fassen. Sie möchte Restauratorin werden, sagt Tina. Dafür hat Petrosani wenig Bedarf. Aber nach ihrer Ausbildung will Tina- wie sie zugibt - auch nicht in ihre Heimatstadt zurück.
Der Bürgermeister von Petrosani, Tiberiu Iacob Ridzi, schätzt die Bemühungen der Caritas um Heranwachsende und auch um gebrechlich Gewordene. Freilich ergäben sich viele Probleme aus der Arbeitsmigration, die Junge und Alte unversorgt zurücklasse, sagt er bei einer Begegnung mit den Medienleuten aus Österreich. Caritas-Sozialarbeiter Alexandru Kelemen zitiert dazu Worte von Papst Franziskus bei dessen Besuch 2019 in Bukarest: Der Maßstab für die Menschlichkeit einer Gesellschaft ist der Umgang mit ihren Verletzlichsten. (Caritas-Spendenkonto: IBAN AT23 2011 1000 0123 4560, Kennwort: "Kinder in Not"; Online-Spenden: www.caritas.at/kinder)
Quelle: kathpress