Neuer Wiener Kirchenrechtler will Rechtskultur in Kirche stärken
"Ich möchte möglichst viel für die Rechtskultur in der Kirche bewirken." Das hat der seit diesem Semester an der Wiener Theologischen Fakultät lehrende Kirchenrechtler, Univ.-Prof. Andreas Kowatsch, in einem Interview in der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag" (19. Jänner) betont. Der promovierte Theologe und Jurist bezeichnete es als "großen Irrtum", dass das Recht primär mit "Zwang" konnotiert sei, denn:
Das Gegenteil von Recht ist nicht Freiheit oder Liebe, sondern Willkür. Wenn es keine Ordnung gibt, herrschen Chaos und Ungerechtigkeit.
Die "Reform- und Glaubwürdigkeitsdebatten", in denen die katholische Kirche angesichts des Missbrauchsskandals stehen, machen auch vor dem Kirchenrecht nicht halt. Auch wenn der Missbrauch in der Kirche "Verbesserungsbedarf" auch im Kirchenrecht deutlich gemacht hat, so müsse man dennoch darauf hinweisen, dass das Kirchenrecht eine unaufgebbare, auch im säkularen Bereich weithin beachtete universale Gültigkeit und Relevanz besitzt: "Hätten alle Verantwortungsträger innerhalb der kirchlichen Rechtsordnung gehandelt, dann hätten wir heute in der ganzen Problematik des Missbrauchs nicht diese Dimension", ist Kowatsch überzeugt.
Entwicklungspotenzial ortet der Professor für Kirchenrecht und Religionsrecht u.a. bei den Mitwirkungsrechten von Laien: Gerade im Kontext des Missbrauchsskandals werde dies intensiv diskutiert, so Kowatsch, schließlich sei der Bischof ja "kein Monarch", vielmehr seien "Volk Gottes und der Hirte aufeinander verwiesen": "Es gibt die Möglichkeit, Mitwirkungsrechte massiv auszubauen, die das Volk Gottes am Leitungsamt teilhaben lassen". Offen ließ Kowatsch indes, wie dies konkret aussehen könnte.
Wichtig sei ihm im Gesamt der aktuellen Debattenlage, "dass man als Theologe bei aktuellen Fragen wissen sollte, wie die kirchenrechtliche Meinung dazu aussieht". Dies gelte gerade auch für die bekannten "heißen Eisen"-Themen, bei denen das Kirchenrecht gerade keine "bremsende Funktion" habe, sondern durchaus "große Potenziale" kenne, "die vieles zulassen", ist Kowatsch überzeugt.
Eine große Herausforderung sieht Kowatsch darin, das Staat-Kirchen-Verhältnis zeitgemäß zu regeln. So wichtig ihm sei, das Zueinander von Staat und Religionsgemeinschaften in Österreich produktiv zu gestalten, so sehr müsse man doch nüchtern feststellen, dass das Prinzip einer staatlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften "auf europäischer Ebene etwas eigen" wirke. Diese Eigenheit berge aber durchaus Potenzial für die Weiterentwicklung, verwies Kowatsch etwa auf die Gefahr, dass sich Sekten oder religiöse Gemeinschaften "unter dem Deckmantel des Religiösen der Freiheit der Menschen bemächtigen wollen". In solchen Fällen könne es "schon notwendig sein, dass der Staat sein Auge darauf wirft".
Quelle: kathpress