Poetikdozentur: Start ins neue Jahr mit Autorin Honigmann
Die vor vier Jahren an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien gestartete Poetikdozentur "Literatur und Religion" wird kommende Woche mit der jüdisch-deutschen Autorin Barbara Honigmann fortgesetzt. Am Dienstag, 21. Jänner, um 18.30 Uhr spricht sie unter dem Titel "Kafka und Proust: Schriftsteller sein, Jude sein" im Hörsaal 1 im Hauptgebäude der Universität Wien. Honigmann geht anhand der beiden jüdischen Schriftsteller der Frage nach, ob eine sogenannte "jüdische Literatur" überhaupt existiert. Die Biographien beider Literaten weisen laut Honigmann Parallelen auf: So zogen sich beide - "zwei nicht mehr ganz junge Junggesellen" -, der eine in Paris, der andere in Prag, zu Beginn des Ersten Weltkriegs zum Schreiben "in ihre Zimmer zurück".
Ziel der Wiener Poetikdozentur ist es nach den Worten des Initiators, des Theologen Jan-Heiner Tück, jene Räume auszuleuchten, "in denen sich Literatur und Religion berühren, wenn es um menschliche Grundfragen geht". Literatur und Theologie seien dieselben Grunderfahrungen zu eigen: Literarische wie religiöse Texte würden die gesamte Bandbreite menschlicher Erfahrung aufnehmen und reflektieren.
Die 1949 geborene Honigmann gehört zur Generation jüdischer Schriftstellerinnen, die "danach" - nach der Shoah - geboren wurden und dennoch in deutscher Sprache schreiben. Honigmanns Eltern haben im Exil überlebt und zogen nach 1945 nach Ostberlin, wo Honigmann aufwuchs. Später zog Honigmann, die zunächst am Theater arbeitete, aus der DDR in den Westen, von Deutschland nach Frankreich und "in das orthodoxe Judentum". Einschränkung: "Eine richtige Jüdin wollte ich werden", wie sie erklärte.
Honigmanns Bücher wurden in viele europäische Sprachen übersetzt, sie ist zudem als bildende Künstlerin tätig. Ihr literarisches Schaffen ist geprägt von einfühlsamen Nachzeichnungen ihrer Familiengeschichte. Es beginnt mit dem Erzählband "Roman von einem Kinde" (1986) und reicht bis zum jüngsten Roman "Georg" (2019), einem Porträt von Honigmanns Vater. Eine Signatur der Werke Barbara Honigmanns ist dabei, dass sie immer auch existenzielle Fragen und Leitthemen jüdischen Denkens behandeln. sie wolle "von den großen Dingen" sprechen, bemerkte Honigmann dazu. Honigmann, die heute in Straßburg lebt, hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Kleist-Preis (2000), den Max-Frisch-Preis (2011) und soeben den "Literaturpreis der Stadt Bremen" (2020).
Literaturgrößen zu Gast in Wien
Seit Beginn der Wiener Poetikdozentur im Sommersemester 2016 hielten deutschsprachige Literaturgrößen wie Sibylle Lewitscharoff, Michael Köhlmeier, Thomas Hürlimann, Nora Gomringer, Alois Brandstetter und Barbara Frischmuth Vorlesungen an der Theologischen Fakultät. Zuletzt kam die Kärntner Star-Autorin Maja Haderlap unter dem Titel "Das Ich im Wir" zu Wort. Weitere Termine sind am 12. Mai mit der deutschen Schriftstellerin Nora Bossong und am 23. Juni mit dem österreichischen Schriftsteller Josef Winkler.
Inzwischen sind bei Herder bereits vier von Tück herausgegebene Sammelbände zur Poetikdozentur erschienen, zuletzt 2019 unter dem Titel "Die Kunst umspielt das Geheimnis. Literarische Annäherungen".
Begleitend zur Poetikdozentur findet seit Sommersemester 2019 je ein Lektüreseminar statt. Im aktuellen Wintersemester 2019/20 bietet der Theologen Tobias Mayer das Forschungsseminar "Zur humanen Relevanz der Fiktion" an. (Info: www.poetikdozentur.at)
Quelle: kathpress