Schönborn: "Das war überhaupt nicht meine Lebensplanung..."
Wenn Kardinal Christoph Schönborn am 22. Jänner seinen 75. Geburtstag feiert, so rückt damit zugleich das Ende einer Ära ein Stück weit näher: Seinen Rücktritt hat der Wiener Erzbischof bereits beim Papst eingereicht - eine Antwort steht weiterhin aus; auch hat seine jüngste Erkrankung und die darauf folgende Zeit der Rekonvaleszenz den Blick darauf gelenkt, dass der Abschied von der kirchlichen Welt- und Diözesanbühne näher rückt. Die Erzdiözese Wien feiert den Geburtstag ihres Erzbischofs u.a. mit einer Gratulations-Website, einem Konzert im Stephansdom und Sondersendungen auf "radio klassik". In der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" bietet Schönborn außerdem tiefe Einblicke in seine Biografie, in Wendungen, Höhen und Tiefen, in theologische Einsichten und menschliche Gewissheiten.
Das ausführliche, von Pressesprecher Michael Prüller geführte und dokumentierte Gespräch berührt dabei immer wieder Entscheidungsmomente und Einschnitte auch in der theologischen Biografie Schönborns, die ihn vom Vorarlberger Ministrant zum Dominikanermönch, vom Hochschullehrer in Fribourg zum Schüler Joseph Ratzingers und zum Redaktionssekretär des Weltkatechismus, schließlich vom Wiener Weih- zum Erzbischof und zu einer der gefragtesten theologischen Stimmen in der Weltkirche werden ließ. Aufhorchen lässt dabei Schönborns theologische Selbsteinschätzung, gewonnen aus der Erfahrung, ab 1980 neben Größen wie Ratzinger, Yves Congar und Hans Urs von Balthasar in die Internationale Theologische Kommission berufen worden zu sein - die theologische "Champions League", so Schönborn, in der er, der Dominikaner, sich zwar verdient machte, jedoch zugleich einräumte: "So etwas wie ein theologisches Erbe hinterlasse ich nicht".
Von der Gewissheit in die existenzielle Krise
Anekdotische Einblicke bot Schönborn in dem Gespräch weiters im Blick auf seinen Weg ins Kloster - ein Weg, den ihm die Begegnung und fruchtbare Auseinandersetzung mit dem Dominikanerpater Paulus Gunz in seiner Heimat Schruns ebnete und der ihn schon bald nach der Matura 1963 nach Retz zu den Dominikanern führte; begleitet durch den bereits lange zuvor in ihm geweckten Wunsch, Priester werden zu wollen. "Jede Berufung geschieht durch eine konkrete Lebensgeschichte hindurch" - in seinem Fall wurzelte diese Geschichte in seiner Vorarlberger Kinder- und Jugendzeit.
Als "Wendejahr in der Gesellschaft und in der Kirche" habe er schließlich das Jahr 1964 erlebt - "das Jahr der Pille und das Jahr, in dem das Konzil, das wir mit Begeisterung verfolgt haben, in seine Krise geraten ist", so Schönborn weiter. Eine Krise, die er mit seinen Kommilitonen auch theologisch am eigenen Leib erfuhr und die mit dem Namen Rudolf Bultmann verbunden war. Mit dem Schlagwort der "Entmythologisierung" hatte der evangelische Theologe alle Gewissheiten der jungen Studierenden - so auch jene Schönborns - nicht nur bedroht, sondern ins Wanken gebracht: Die Infragestellung basaler Glaubenssätze wie jenes von der Gottessohnschaft Jesu bis hin zur Auferstehung habe in ihm und in vielen anderen "eine existenzielle Krise ausgelöst", in deren Folge er sogar zeitweise mit dem Beten aufgehört habe, bekannte der Kardinal.
Erst über die Begegnung mit französischen Dominikanern und seinem Studium in Frankreich, der Begegnung mit Thomas von Aquin, von Balthasar, Congar und Ratzinger habe ihn eine "innere Festigkeit" im Glauben wiederfinden lassen - eine "Konsolidierung", in deren Folge er seine Liebe zur Orthodoxie und zur damit auch bezeichneten Rechtgläubigkeit entdeckt habe. Die kirchliche Lehre, das Dogma, begriff er in Folge "nicht als Verengung, sondern als ein Fenster, da sich auf ein weites Land öffnet". Im übrigen sei sein Eintreten für "pastorale Öffnungen" vor diesem Hintergrund "immer in Treue zur Lehre der Kirche" zu verstehen, ergänzte der Erzbischof.
"Ich habe zu heulen begonnen"
Es folgten weitere bewegte akademische Lehr- und Wanderjahre, zu denen Schönborn mit einer kleinen, nicht unwesentlichen Korrektur zu seinen bislang auch online einsehbaren Biografien aufwarten konnte: So hat er sich bereits 1972 mit einer Arbeit über den Hl. Sophronius von Jerusalem promoviert (Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique. Beauchesne, Paris 1972) - und nicht erst, wie es sich verschiedentlich findet - 1974 mit der Arbeit "Die Christus-Ikone". Beachtung fanden seine Arbeiten u.a. bei Hans Urs von Balthasar, der den jungen Dominikaner nicht nur zu sich einlud, sondern für den er sich in Rom auch einsetzte, um ihm eine akademische Karriere zu ermöglichen.
Tatsächlich wurde Schönborn - nach eineinhalb Jahren als Studentenseelsorger in Graz an der Seite von Bischof Egon Kapellari - zunächst Professor in Fribourg: "Das war überhaupt nicht meine Lebensplanung..." - ein Satz, der auf viele Stationen und biografische Wendungen im Leben Schönborns wohl zutrifft. Wie wohl auch der nächste große Einschnitt im Jahr 1987, als Joseph Ratzinger ihn zum Redaktionssekretär für den Weltkatechismus machte:
Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich dann nachts allein auf dem Petersplatz gestanden bin: Was bringt das in mein Leben? Eine unvorstellbar große Aufgabe! Ich war ganz beglückt, aber auch erschrocken. Es war der Anfang der fünf vielleicht intensivsten Jahre meines Lebens.
1991 schließlich die nächste Stufe auf der kirchlichen Karriereleiter: Die Ernennung zum Weihbischof von Wien durch Papst Johannes Paul II. Als ihm dies mitgeteilt wurde, habe er "ich gestehe es, zu heulen begonnen" - und die Berufung in Folge angenommen; auch wenn er hoffte, nicht Nachfolger von Kardinal Groer zu werden ("Ich hatte gehofft, dass es Kapellari wird.").
Auf das Ende seiner Amtszeit geht Schönborn "mit dem Gefühl der Dankbarkeit" zu, verriet er schließlich.
Ich glaube, ich bin ein glücklicher Mensch. Aber ich weiß: Das eigentliche Glück steht noch aus.
Quelle: kathpress