Weltverfolgungsindex: Zahl bedrängter Kirchen stark gestiegen
Die Lage von Christen hat sich nach Einschätzung des Hilfswerks "Open Doors" im vergangenen Jahr in vielen Ländern erneut verschärft. "Auffällig sind die weltweit zunehmende Kontrolle und Unterdrückung kirchlichen Lebens sowie die Zerstörung und Schließung von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen", heißt es in dem am Mittwoch in mehreren Staaten zeitgleich veröffentlichten "Weltverfolgungsindex 2020", einer Rangliste von 50 Ländern mit der stärksten Christenverfolgung. Im Vergleich zum Vorjahresbericht augenscheinlich ist laut dem Hilfswerk eine Ausbreitung des gewalttätigen militanten Islamismus in Afrika sowie in Asien. Zur weiteren Einschränkung von Religionsfreiheit führten auch Entwicklungen hin zu einer totalen digitalen Überwachung der Bürger in Staaten wie etwa China.
Laut Index wurden in den untersuchten Staaten im Berichtszeitraum vom 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019 fast 9.500 Kirchen und kirchliche Einrichtungen attackiert, zerstört oder geschlossen; im Jahr davor waren es 1.850. Der Anstieg ist laut "Open Doors" insbesondere auf das Vorgehen Chinas zurückzuführen, wo die kommunistische Partei den Angaben zufolge mehr als 5.500 kirchliche Einrichtungen schließen ließ. Die Zahl der im Bericht registrierten Christen, deren Tötung mit ihrem Glauben in Zusammenhang gebracht werden kann, sank von 4.139 auf 2.983.
Insgesamt leben in den im Index enthaltenen 50 Ländern rund fünf Milliarden Menschen, darunter laut einer "Open Doors"-Schätzung etwa 640 Millionen Christen. Von ihnen sind nach den Erhebungen der Organisation circa 260 Millionen in einem hohen Maß der Verfolgung ausgesetzt. Diese reicht von direkter Gewalt über diskriminierende Gesetze bis hin zu gesellschaftlicher Ausgrenzung. Weltweit betrachtet, sei einer von acht Christen einem hohen bis extremen Ausmaß an Verfolgung ausgesetzt, in Asien sogar mehr als jeder Dritte, erklärte der Leiter von "Open Doors Österreich", Kurt Igler.
Auf den ersten Plätzen des "Weltverfolgungsindex" finden sich erneut Nordkorea, gefolgt von Afghanistan, Somalia, Libyen, Pakistan und Eritrea. Die Plätze sieben bis zehn nehmen der Sudan, der Jemen, Iran und Indien ein. Es folgen u.a. Syrien (11), Nigeria (12), Saudi-Arabien (13), der Irak (15) und Ägypten (16).
Zwangsarbeit, Folter und Schikanen
Nordkorea führt die Liste seit Jahren an; dort müssen unter Machthaber Kim Jong-un laut "Open Doors" zehntausende Christen in Straflagern schwerste Zwangsarbeit leisten sowie Folter erleiden. Einheimische Christen in Afghanistan seien in ständiger Lebensgefahr, weil der Abfall vom Islam als todeswürdiges Vergehen gilt. Auch in Somalia könnten Christen ihren Glauben nur heimlich leben. Die Konflikte in Libyen erschwerten das Leben der wenigen Christen zusätzlich. Flüchtlinge, die über Libyen nach Europa fliehen wollen, würden schikaniert, gefoltert oder auch ermordet.
Im Iran würden Hauskirchen, in denen sich viele Christen heimlich treffen, regelmäßig Ziel von Razzien, Leitern drohten langjährige Gefängnisstrafen und Folter, so "Open Doors". Kurz vor Weihnachten 2018 hätten die Behörden auch 194 Christen aus Konvertitengemeinden verhaftet. Viele christliche Konvertiten seien wegen der Verfolgung aus dem Land geflohen - auch nach Österreich.
In Indien und China (Rang 23) registriert das Hilfswerk eine zunehmende digitale Überwachung auf Basis biometrischer Technologien etwa im Zusammenhang mit Kameraüberwachung und Gesichtserkennung. In Indien dokumentierte Open Doors mehr als 440 gewaltsame und hassmotivierte Übergriffe gegen Christen. Die Regierung lasse extremistische Hindus weitgehend straffrei auch gegen Christen agieren.
In afrikanischen Ländern südlich der Sahara führen islamische Extremisten laut Index mittlerweile regelrecht Krieg gegen christliche Gemeinden. Die blutigen Überfälle auf Gottesdienste in Burkina Faso (Rang 28), wo mindestens 50 Christen ermordet wurden, brachten das für religiöse Toleranz bekannte Land erstmals auf den Weltverfolgungsindex. Ähnlich sei die Lage in weiteren Staaten der Region, darunter Mali (Rang 29).
Auch Christen in Asien leiden laut Open Doors unter dem militanten Islamismus. Bangladesch (Rang 38) und Sri Lanka (Rang 30) sind in der Rangliste weit nach oben gerückt. Im Irak zögerten Christen wegen der Bedrohung durch schiitische Milizen, in ihr Land zurückzukehren. Ihre Zahl habe innerhalb nur einer Generation um 87 Prozent abgenommen.
Internationales Bemühen wichtig
Mit Blick auf den erfolgreichen internationalen Einsatz für die pakistanische Christin Asia Bibi, die nach einem Todesurteil wegen Gotteslästerung vergangenes Jahr freigelassen wurde, forderte "Open Doors" eine entschlossenere Unterstützung für verfolgte Christen. Internationale Bemühungen könnten viel bewirken, betonte "Open Doors Österreich"-Leiter Igler. Außerdem appellierte Igler, Abschiebungen christlicher Konvertiten in Länder wie Afghanistan oder Iran einzustellen, zumal Konvertiten in der Regel am stärksten von Verfolgung betroffen seien.
Open Doors ist nach eigenen Angaben ein Hilfswerk, das in rund 65 Ländern verfolgte Christen unterstützt. Im deutschsprachigen Raum widmet es sich vorwiegend der Berichterstattung über ihre Unterdrückung.
Quelle: kathpress