Glettler: "Den Fratzen des Antisemitismus entgegentreten"
Der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler hat anlässlich des bevorstehenden Tags des Judentums (17. Jänner) gefordert, "jeder Form des Antisemitismus, in welcher Fratze er versteckt oder offen heute wieder auftaucht", entschieden entgegenzutreten. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag mit dem evangelisch-lutherischen Superintendenten von Salzburg und Tirol, Olivier Dantine, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) für Tirol und Vorarlberg, Günter Lieder, sowie Peter Jungmann vom Bischof-Stecher-Gedächtnisverein sagte Glettler:
Wir alle haben von Gott den Auftrag erhalten, uns für die Verständigung und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft aktiv einzusetzen. Ja, wir wollen einander zum Segen werden - auch in Zukunft.
"Einander zum Segen werden - Tora-Rolle 2021" lautet auch das Motto einer gemeinsamen Spendenaktion der katholischen und evangelischen Kirche in Tirol, mit der die Restaurierung einer Tora-Rolle für die Innsbrucker Synagoge finanziert werden soll. Die Diözese Innsbruck wolle die freundschaftlichen Beziehungen zur Israelitischen Kultusgemeinde fortsetzen, die von seinem Vorvorgänger Bischof Reinhold Stecher in dessen Amtszeit (1981 bis 1997) grundgelegt wurden, sagte Glettler. Durch die Verbundenheit mit unseren "älteren Geschwistern im Glauben" gelinge es, "auch unsere eigenen spirituellen Wurzeln als Christen besser zu verstehen". Die Initiative zum "Tag des Judentums" am 17. Jänner geht - wie der Bischof erinnerte - auf eine Initiative der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung 1997 in Graz zurück, "an der ich mit großer Begeisterung teilnehmen und mitarbeiten durfte".
Die Tora sei "nicht nur Teil der christlichen Bibel, sie ist die wichtigste Grundlage für die Lehre Jesu", erklärte Superintendent Dantine das Anliegen hinter dem Spendenaufruf. Das Neue Testament sei nur im Zusammenhang mit den Texten der jüdischen Bibel, allen voran der Tora, zu verstehen. Diese weise auf eine Verbundenheit zwischen Juden und Christen hin, "die in den letzten Jahrzehnten wieder neu entdeckt wurde". Über Jahrhunderte hinweg hätten sich Christen "gegenüber diesem Geschenk respektlos verhalten", spielte Dantine auf die konfliktreiche historische Beziehung an. Daher erinnerte der Superintendent: "Über den Juden Jesus von Nazareth ist auch den Christen die Tora gegeben."
Lieder: "Starkes Symbol für Miteinander"
Freude und Dankbarkeit für die Unterstützung der beiden Kirchen bei der Restaurierung der Tora-Rolle äußerte IKG-Präsident Günter Lieder. Diese "einzigartige Aktion" sei "ein starkes Symbol für das neu gewonnene Miteinander von Judentum und Christentum". Die Tora, als zentraler Text der jüdischen Bibel, könne "für den Hausgebrauch" zwar in gedruckter Form verwendet werden, die liturgische Ordnung jedoch sehe eine auf Pergament von Hand geschriebene koschere Ausgabe vor, erklärte Lieder die Besonderheit der Rolle.
Wie Bischof Glettler nahm auch Peter Jungmann, Obmann des Bischof-Stecher-Gedächtnisvereins, Bezug auf das Erbe des vormaligen Innsbrucker Bischofs: Stecher habe 1989 das christlich-jüdische Komitee in der Absicht begründet, "überkommene Schranken abzubauen, sich verstärkt der Gemeinsamkeiten klar zu werden und Wege zueinander zu ebnen". Stecher habe auch den Bau einer neuen Synagoge in der Innsbrucker Sillgasse unterstützt, die 2018 ihr 25-jähriges Bestehen feierte. Bekanntlich scheute Stecher auch vor Konflikten nicht zurück, als er 1988 der Legende vom angeblichen jüdischen Ritualmord am "Anderl von Rinn" entgegentrat, indem er den diesbezüglichen Kult verbot.
Der Tag des Judentums am 17. Jänner erinnert alljährlich an die Verbundenheit von Christen und Juden. In Innsbruck werden die entsprechenden Feierlichkeiten heuer bereits am Donnerstag, 16. Jänner, begangen. Bei einer Veranstaltung im Innsbrucker "Haus der Begegnung" läuten Glettler und Dantine die Spendenaktion "Einander zum Segen werden - Thorarolle 2021" offiziell ein. Einen Festvortrag zum Thema "Segen und Fluch in den Psalmen" hält die evangelische Theologin Barbara Rauchwarter, anschließend erfolgt ein Psalmengebet in hebräischer und deutscher Sprache.
In ganz Österreich wird der Tag des Judentums mit verschiedenen Veranstaltungen und Gottesdiensten begangen. Der zentrale Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) zu diesem Anlass findet am Freitag um 18 Uhr in der Wiener evangelisch-reformierten Erlöserkirche (Wielandgasse 9) statt, die Predigt hält der neue ÖRKÖ-Vorsitzende Rudolf Prokschi.
Quelle: kathpress