Lackner zu Kirchenaustritten: 2019 war ein "annus horribilis"
2019 war in Bezug auf die vielen Kirchenaustritte ein "annus horribilis" (Lat. für "schreckliches Jahr"). Das hat der Salzburger Erzbischof Franz Lackner in einem Interview der "Salzburger Nachrichten" (SN) vom Donnerstag unverblümt festgestellt. Im Vorjahr hätten deutlich mehr Menschen in Österreich die Kirche verlassen als 2018. Als Gründe dafür nannte Lackner die Missbrauchskrise, die Konflikte in der von ihm vor einem Jahr visitierten Diözese Gurk-Klagenfurt "und bei uns in Salzburg innerdiözesane Irritationen". Für nicht wenige spiele auch der Kirchenbeitrag eine Rolle.
Die Schwelle zum Kirchenaustritt sei heute sehr niedrig, wies der Erzbischof hin. Er bemühe sich um jeden Ausgetretenen, schreibe Briefe, biete Gespräche an. Ohne Kirche und verbindlichen Glauben über weite Strecken ganz gut zu leben, sei heute leichter als früher, als herrschende Not zum Beten und Glauben motiviert habe. "Heute, in unserer Zeit, könnten wir zu Gott Ja sagen aus Freiheit und Liebe, nicht, weil die Not drängt", stellte Lackner fest.
Um die Zahl der Austritte zu verringern, könne die Kirche Marktforschung betreiben, den Menschen ihre Leistungen im karitativen, kulturellen oder Bildungsbereich vermitteln. "Letztendlich braucht es aber beim Einzelnen wie in der Institution eine neue Glaubwürdigkeit", betonte Lackner. Die Botschaft Jesu Christi sei nicht "durch einen Minimalkonsens verständlich zu machen, dass jeder Hurra ruft". Vielmehr gelte es im Suchen, im Ringen, in Bezug auf Aufrichtigkeit, den Umgang mit Fehlern und auch auf die "Frage, wie wir unser Werk führen", glaubwürdig zu sein.
In Bezug auf die die Kirche in Kärnten wurde Lackner von den "SN" gefragt, ob die Berufung des kritisierten Bischofs - Alois Schwarz - an einen anderen Ort nicht typisch für die Kirche sei. Was der Grund für die Berufung nach St. Pölten war, könne er nicht beantworten, so der vom Papst als Apostolischer Visitator eingesetzte Salzburger Erzbischof. Er sei dabei "die offiziellen Wege" gegangen. Entschuldigt habe er sich selbst dafür, angesichts von "Irritationen im Vorfeld" nie das persönliche Gespräch gesucht zu haben - wohl "aus einer gewissen Ehrfurcht vor der Person", wie Lackner sagte. Grundsätzlich sei er gegen Versetzungen, um Problemen auszuweichen. "Wenn es Probleme gibt, muss man sie dort ansprechen und lösen, wo sie sind", so Lackner. "Versetzungen aus Gründen der Vertuschung lehne ich grundsätzlich ab."
Beim Thema Kirchenbeitrag bezeichnete der Erzbischof das italienische Modell als interessant, bei dem der Staat eine Steuer einbehält, die Menschen aber wählen können, ob das Geld für Kultur, die Kirche oder andere Projekte eingesetzt wird. So etwas sei in Österreich seines Wissens aber nicht angedacht.
Auch im Glauben "Teamplayer" gefragt
Lackner ist es ein Anliegen, das Gemeinschaftliche am Glauben wieder stärker in den Vordergrund zu rücken: "Es gibt viele Menschen, die wollen etwas Gutes tun. Sie tun sich aber sehr schwer damit, das in einer Gemeinschaft zu tun." Papst Franziskus, den er für einen "großen Propheten unserer Zeit" halte, spreche von einer "Ich-Religion", wies Lackner hin. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alle Alleindarsteller werden." Der Fußball-Fan auf dem Salzburger Bischofsstuhl zitierte den legendären Trainer von Manchester United, Alex Ferguson, der den besten Spieler der Welt nicht mitspielen lassen würde, wenn dieser sich nicht in das Team einfügt. "So ist es auch mit dem Glauben: wie im Gemeinschaftssport", sagte Lackner.
Die Bereitschaft der Menschen, sich zu binden, sei kleiner geworden. Das Geheimnis des Glaubens in eine Institution zu übersetzen könne nicht eins zu eins gelingen, hielt der Erzbischof grundsätzlich fest. "Es braucht eine gewisse Gestalt, damit Glaube geschichtskräftig bleibt."
Quelle: kathpress