Katholische Kirche Anno Domini 2019
Es gibt derzeit wohl kein Thema in Welt und Kirche, das die Verletzlichkeit der Schöpfung in ihrer globalen Dimension verbunden mit der Frage nach dem persönlichen Lebensstil so sehr auf den Punkt bringt, wie die Klimakrise. Die UN-Klimakonferenz in Madrid, der "Green Deal" der EU-Kommission oder der Erfolg von Grün-Parteien zeigen auf verschiedenen Ebenen der Politik den Stellenwert der Thematik, die spätestens seit Papst Franziskus mit seiner Enzyklika "Laudato si" auch zu den Prioritäten der Weltkirche gehört. 2019 konnte der Pontifex seine umfassende "Sorge um das gemeinsame Haus" anhand der Sondersynode für Amazonien konkretisieren. Der Papst holte damit einmal mehr den Rand in die Mitte der weltkirchlichen Aufmerksamkeit.
Die Synodenversammlung im Oktober war zuallererst "ein globaler Notruf", wie Kardinal Christoph Schönborn immer wieder betont. Der Wiener Erzbischof und der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler haben wesentliche Impulse bei der Synode gegeben und zu ihrem Gelingen beigetragen. Leicht überhört wird die Kernbotschaft der Synode, der es um eine grundlegende "Konversion" im Sinne eines Umdenkens und einer Umkehr ging. Damit ist vor allem auch der verschwenderische Lebensstil in den Wohlstandszonen der Welt gemeint.
Weit intensiver wurde und wird indes hierzulande die Frage nach verheirateten Priestern debattiert. Wie stehen die österreichischen Bischöfe zum Vorschlag der Synode, dass künftig aus dem Kreis der verheirateten Diakone auch verheiratete Priester kommen könnten? Sie begrüßen und unterstützen diese Vorschläge, "die sich jetzt auf die Amazonas-Region beziehen", wie die Bischofskonferenz im November erklärte. Gleichzeitig betonten die Bischöfe, "dass die Grundform des priesterlichen Dienstes in der römisch-katholischen Kirche die ehelose Lebensform bleibt, wie Jesus Christus sie selbst gelebt hat". Die Diskussion ist damit sicher nicht zu Ende und wird wohl bald wieder an Fahrt aufnehmen, hat doch der Papst sehr ambitioniert noch für 2019 sein Resümee-Dokument zur Synode angekündigt.
Nochmals zurück zur Umweltthematik. Hier haben die österreichischen Bischöfe einen auch international beachteten Schritt gesetzt: Im März beschlossen sie eine Verschärfung ihrer Ethik-Richtlinien für die kirchliche Geldveranlagung und verfügten einen Vollausstieg bei jenen Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern bzw. produzieren. Österreich ist somit nach Belgien und Irland die dritte Bischofskonferenz weltweit, die sich mit allen Diözesen zum sogenannten Divestment entschieden hat.
Einmal mehr Missbrauchskrise
Das die Weltkirche im Jahr 2018 bestimmende Thema Missbrauch bescherte dem Vatikan im Februar 2019 ein Medienaufgebot, das eines Konklaves würdig gewesen wäre. Viele erwarteten vom vatikanischen Kinderschutzgipfel rasche und klare Entscheidungen, die im ersten Augenblick enttäuscht wurden. Für viele Beobachter ist es dem Papst dennoch gelungen, den Kampf gegen Missbrauch bei den Vorsitzenden der Bischofskonferenz aus der ganzen Welt so sehr zu verankern, dass es kein Zurück mehr gibt.
Schließlich folgten am 9. Mai mit dem päpstlichen Erlass "Vos estis lux mundi" verschärfte Regeln für den Umgang mit Missbrauchsfällen. Darin werden u.a. ein weltweit verpflichtendes Meldesystem für Missbrauchsfälle und das Vorgehen bei Vorwürfen gegen Bischöfe geregelt. Letzteres ist nicht zuletzt die Konsequenz spektakulärer Fälle. So wurde im Dezember 2018 mit Kardinal George Pell der bislang ranghöchste katholische Geistliche wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Der ehemalige Finanzchef des Vatikan ist seither in Australien in Haft und wartet dort auf ein allerletztes Berufungsverfahren, das 2020 stattfinden soll. Kurz vor Weihnachten griff Papst Franziskus einen anderen Vorschlag des Kinderschutzgipfels auf, indem er das sogenannte Päpstliche Geheimnis bei der Verfolgung von Missbrauchsstraftaten aufhob. Diese Maßnahme und weitere Verschärfungen zeigen, wie wichtig dem Papst der weltweite Kampf gegen Missbrauch ist, und dass er dabei das Heft wieder fest in der Hand hat.
Zu einem Medienereignis der besonderen Art wurde indes das TV-Gespräch von Kardinal Christoph Schönborn mit der früheren Ordensfrau Doris Wagner (Reisinger), die ihre Missbrauchserfahrungen zuvor schon mehrfach publiziert hatte. Es fand im Februar im Vorfeld des vatikanischen Kinderschutzgipfels statt und erfuhr internationale Beachtung. Die TV-Doku erhielt in Österreich den Fernsehpreis "Romy", das unmoderierte rund vierstündige Gespräch der beiden erschien später ungekürzt zum Nachlesen auch als Buch.
Apostolische Visitation und Bischofsernennung
Deutlich zu hören war das Aufatmen in Kärnten und in der Kirche Österreichs, als der Vatikan Anfang Dezember die Ernennung von Josef Marketz zum neuen Bischof von Gurk-Klagenfurt bekannt gab. Der frühere Seelsorgeamtsleiter und jetzige Caritas-Direktor sei "ein Hirte ganz nach dem Geschmack des Papstes", ist fast unisono zu vernehmen. Seine spontane und unbekümmerte Art im Umgang mit Medien vermutlich auch.
Entspannung zeichnet sich in der zweitältesten Diözese Österreichs ab, die seit dem Wechsel von Bischof Alois Schwarz im Juli des Vorjahres nach St. Pölten nicht zur Ruhe gekommen ist. Zum Jahresbeginn hatte der vom Papst eingesetzte Apostolische Visitator, der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, gemeinsam mit einem Team ein umfassendes Lagebild erhoben. Der bislang unveröffentlichte Visitationsbericht erging noch im März an die zuständige vatikanische Bischofskongregation. Neue Aufregung entstand Ende Juni mit der Entscheidung Roms, den bisherigen Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger durch einen Apostolischen Administrator zu ersetzen. Mit dieser Mission betraute der Papst den österreichischen Militärbischof Werner Freistetter, dem es - nach anfänglichen Protesten - gelang, die Lage behutsam zu beruhigen.
Freistetter steht bis zur Bischofsweihe von Josef Marketz am 2. Februar 2020 an der Spitze der Diözese. Im nächsten Jahr dürfte dann wohl eine Klärung der straftrechtlichen Vorwürfe gegen Bischof Alois Schwarz erfolgen. Es wäre höchst an der Zeit - im Interesse aller Beteiligten und der Kirche in Österreich.
Indes rückt eine andere Personalie immer mehr in das öffentliche Bewusstsein: Am 22. Jänner wird Kardinal Christoph Schönborn 75. Der Wiener Erzbischof hat es sich nicht nehmen lassen, schon im Oktober am Rande der Amazonien-Synode beim Papst persönlich seinen vom Kirchenrecht vorgeschriebenen altersbedingten Rücktritt "sehr ernsthaft" anzubieten. Gerade trotz der glücklicherweise überstandenen Krebs- und zuletzt Lungenerkrankung des Kardinals hoffen viele, dass der Papst eine gute Entscheidung für die Kirche in Österreich treffen wird.
Konnte man zum Jahresbeginn zurecht von einer Klimakrise in der Kirche - global wie national - sprechen, so hat sich diese zuletzt deutlich entspannt. Endlich. Hoffentlich. Es bleibt genug zu tun für eine Kirche, die dem Heil aller dienen soll.
Quelle: kathpress