Glettler zum Klima: "Umdenken braucht spirituelles Unterfutter"
"Wer nimmt wem was weg? Kampf der Generationen" - unter diesem Motto stand am Dienstagabend eine Podiumsdiskussion der Akademie für Evangelisation im Wiener Figlhaus. Der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler diskutierte bei dem "Talk" im Wiener "Werk-X" am Petersplatz mit der SPÖ-Klimaschutzsprecherin Julia Herr und Wirtschaftswissenschaftler Fred Luks über die Themen Klima und Generationenkonflikte. Gemeinsamer Tenor: Schon kleine Schritte könnten in Summe für eine gesellschaftliche und strukturelle Veränderung sorgen; dabei sei jeder gefragt, Verantwortung zu übernehmen. Nach Glettlers Überzeugung braucht es für ein Umdenken und eine wirkliche Verhaltensveränderung "aber ein spirituelles Unterfutter", wie er sagte.
Die von der jungen Schwedin Greta Thunberg initiierte "Fridays for Future"-Bewegung habe den Bischof, der sich an einer der Demonstrationen in Innsbruck mit über 20.000 jungen Teilnehmern auch selbst beteiligte, "total geflasht". Sein Fazit: "Man muss die jungen Leute ernst nehmen, denn sie haben Lösungsvorschläge." Glettler wörtlich: "Es braucht ein paar Verrückte, die mit ihrer vorbildlichen Lebensweise auffallen."
Junge Aktivisten der Umweltbewegung hätten aktuell zwar einen gesellschaftlichen Prozess in Gang gesetzt und einen "Leidensdruck" aufgebaut, weitreichende Veränderungen müssten aber nachhaltig und längerfristig gedacht werden. Und dafür benötige es kirchliches Engagement, so der Innsbrucker Bischof.
Im Gespräch mit "Kathpress" betonte Glettler, dass es nicht darum gehe, Positionen für oder gegen die Klimabewegung zu verhärten, sondern zu fragen, was es an gemeinsamer Energie und Kreativität brauche.
Wir leben in einer Zeit beschädigter Zuversicht. Da können wir es uns nicht mehr leisten, nicht zusammenzuarbeiten.
Auch in der Kirche sei es verfehlt, dass jeder "nur sein Ding" mache. Es müsse ein "Common Sense" entwickelt werden. "Das braucht unsere Welt, die Schieflage ist groß genug."
Kritik übte Gletter vor allem an der Waffenproduktion, die "zum Himmel schreit". Leidtragende seien Länder wie Syrien oder der Jemen, die medial inzwischen kaum Beachtung fänden. "Es braucht auch aus der Spiritualität heraus ein energisches Nein und konstruktive Lösungsansätze, wo die Energie hingehen kann", forderte der Bischof.
Umweltverschmutzung ist wie "Kettenrauchen"
Die dramatischen Folgen des CO2-Ausstoßes seien seit Jahrzehnten bekannt, trotz dem Wissen über den Klimawandel würden viele Menschen aber nicht entsprechend handeln, kritisierten die Diskutanten unisono. "Das ist wie bei den Kettenrauchern", die trotz Krankheitsdiagnosen nicht aufhören würden zu rauchen, meinte der deutsche Ökonom Luks. Ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen gebe es aber keine Veränderung, lautete die Kritik des ehemaligen Leiters des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit an der WU Wien.
Bei Klimaschutz Druck aufrechthalten
SPÖ-Klimaschutzsprecherin Herr betonte, dass "die jungen Menschen, die jetzt auf die Straße gehen, mehr weitergebracht haben, als die Politiker in den Jahren davor. Es waren diese Demonstrationen, die das Thema jetzt bei allen Parteien ins Zentrum gerückt haben". Eine Gefahr sehe sie jedoch darin, dass die Bewegung an Dynamik verliert.
Deshalb ist es wichtig, den Druck aufrecht zu erhalten. Nur der Druck wird es schaffen, dass wir etwas weiterbringen.
Aktuell lebe die Jugend in einer "verunsicherten Gesellschaft" und blicke mit Sorge in die Zukunft. Aber: "Angst bekämpft man nicht mit Sicherheit, sondern mit Hoffnung", so die junge SPÖ-Politikerin. Glettler ergänzte, dass Hoffnung nicht mit Phrasen aufgebaut werden könne. Stattdessen brauche es Modelle, in denen Sinnstiftung nachvollziehbar sei. Die Kirche vermittle heute offenbar keinen Sinn mehr an die jungen Leute, daher müsse das Evangelium noch stärker auf den Punkt gebracht werden, forderte Glettler.
Quelle: kathpress