Benediktiner: Kirchen müssen "einfach offen" für Menschen sein
Kirchen- und Klosterbauten sollen von ihrem Grundverständnis her "religiös wie säkular anschlussfähig" sein und Offenheit vermitteln: Darauf hat der Melker Benediktinerpater Jakob Deibl am Dienstag beim Österreichischen Ordenstag in Wien-Lainz hingewiesen. "Dass Kirchen und sich der Aufnahme von Gästen widmende Klöster einfach offen sind und dem Menschen einen Aufenthalt frei von Interessen gewähren, ist ihr wesentlicher Beitrag für eine lebenswerte Gestaltung des öffentlichen Raumes", betonte der Theologe, Philosoph und Gastprofessor an der Sant'Anselmo-Universität in Rom bei seinem Vortrag.
Wo immer Einrichtungen im kirchlichen Bereich eine Öffnung wagen, müsse diese "dem Charisma des jeweiligen Ortes entsprechend" erfolgen, erklärte der Ordensmann. Die für viele Ordensgemeinschaften richtungweisende Benediktsregel verlange etwa, Begegnungen zu ermöglichen. Dazu gehöre auch, dass Menschen - die die Klöster aus verschiedensten Motiven aufsuchen - ein "Wohlfühlen" und "Gerne-Wiederkommen" geboten werde.
Klöster sollten laut dem Mönchsvater Benedikt zwar einerseits "umschlossen" sein und damit Sicherheit und Voraussetzungen für einen Lernprozess bieten, andererseits aber auch "durchlässig für andere" statt "selbstgenügsam". Das Gelöbnis von Armut - das in der Benediktsregel allerdings nicht aufscheint - könne statt Besitzlosigkeit der Gemeinschaft auch als "Bereitschaft, ihren Besitz mit den Gästen zu teilen" verstanden werden, meinte Deibl.
Freilich erfordere das Bemühen um Offenheit in der Praxis der Klöster meist einen komplizierten - für Außenstehende kaum bewussten - Prozess interner Aushandlung, erklärte Deibl, der dies am Beispiel der im Jahr 2000 erfolgten Öffnung des Melker Stiftsparks für die Allgemeinheit darstellte. Viele im Orden hätten die Angst vor einem fortschreitenden "Ausverkauf", während andere die Öffnung als ein Recht der Allgemeinheit sähen. Die Öffnung könne aber auch jenem Bild entgegenwirken, laut dem Mönche in hochbarocken Palästen wohnen und diese "im Gefühl der Überlegenheit der Stiftsfürsten vor der Öffentlichkeit abschließen" würden.
Vergangenheit und Zukunft der Klöster
Für den öffentlichen Raum hätten Kloster- und Kirchengebäude eine wichtige Funktion. Sie seien auf "Dauerhaftigkeit" angelegt und vermittelten sonst kaum erfahrbare Konstanz in der Verwendung. So sei es möglich, in einer antiken Basilika Gottesdienst zu feiern, während hingegen ein antikes Verkaufslokal kaum als modernes Geschäft taugen würde. Deibl: "Kirchen- und Klostergebäude artikulieren sich als Raum, der sich bewusst in Vergangenheit und Zukunft ausdehnt." Die über Jahrhunderte erfolgten An- und Umbauten machten verschiedene Zeitepochen sichtbar und damit auch die "Sorgen, Nöte und Hoffnungen, die Bitten, Fürbitten und Gebete der Menschen vieler Generationen".
Kirchen: Inseln im Stadtraum
Zu den charakteristischen Elementen von Kirchen- und Klostergebäuden zähle u.a. auch die Stille. Gerade in Städten seien Kirchen und Klöster "Inseln im Stadtraum", so der Benediktiner. Es handle sich auch um nicht an Konsum gebundene Räume, "die die interessenlose Wahrnehmung des Schönen ermöglicht und schließlich auch ein verändertes Zeitgefühl bietet, das Vergangenheit und Zukunft erfasst".
Neben der von ihnen erlaubten "anachronistischen Erfahrung" gäben religiöse Bauten den Städten und Dörfer weiterhin als "Knotenpunkte" Struktur, auch wenn sie in Diskussionen um den öffentlichen Raum kaum Beachtung fänden, bedauerte der Experte. Seine Forderung: Die Funktion von Sakralbauten gelte es neu zu diskutieren, wichtige Thema seien dabei auch die Profanisierung und Schließung von Klöstern.
Quelle: kathpress