Ordensfrau mahnt zu Sensibilität gegenüber geistlichem Missbrauch
Ordensgemeinschaften stehen als geschlossene Gemeinschaften in einer besonderen Verantwortung, die Freiheit ihrer einzelnen Mitglieder zu achten und Missbrauch in jeglicher Form - auch der geistlichen - entgegenzuwirken: Das hat die deutsche Dominikanerin Jordana Schmidt (50) am Dienstag beim Eröffnungsvortrag des Österreichischen Ordenstages dargelegt.
Gemeinschaften in Orden, Kirchen und auch anderen Institutionen, jedoch auch Partner- oder Berufsbeziehungen sind meist nie ganz frei von den unterschiedlichen Ausprägungen von Missbrauch. Es ist unsere Aufgabe, das zur Sprache zu bringen und zu überlegen, wie wir das verändern können.
Schmidt war vor ihrem Eintritt bei den Dominikanerinnen Mitglied einer anderen Schwesterngemeinschaft gewesen und hatte dort mehrere Formen geistlichen Missbrauchs erlebt, wie sie berichtete.
Mir wurde genau vermittelt, was ich zu lesen, wann ich zu schweigen oder zu beten hatte und sogar, wann ich zu Bett gehen sollte. Mediennutzung aller Art war verboten, und nicht einmal das kleinste selbstgemalte Bild durfte ich ohne Erlaubnis der Oberin verschenken.
Verstöße seien geahndet worden, etwa mit Einschränkungen beim Essen oder Zurechtweisung vor allen anderen, jegliche Zweifel seien unerwünscht und Kritik als "Versuchungen vom Teufel" erachtet gewesen. "Das Wort der Priorin galt in allem - so wurde Gehorsam verstanden."
Manchen Frauen ihrer Gemeinschaft sei es viel schlimmer ergangen, mit Demütigungen, Abwertungen oder im Fall einer dementen Mitschwester, mit Ein- oder Aussperren bei Gebetszeiten. "Während einer Laudes verstarb sie, was dann lange vertuscht wurde. Sie sei friedlich im Bett entschlafen, hieß es." Schmidt selbst trat kurz vor ihrer ewigen Profess aus der Gemeinschaft aus und begriff erst danach, "dass das nicht das normale Klosterleben war, sondern Machtmissbrauch und spiritueller Missbrauch". Um sich von der in vier Jahren eingeübten Denkweise freizumachen, habe sie viele Jahre benötigt; dass sie dennoch Ordensfrau blieb und bei den Dominikanerinnen von Bethanien eintrat, verdanke sie der ihr dort zugestandenen Freiheit, ihrem Kampfgeist sowie auch ihrer in den schwierigen Jahren noch stärker gewordenen Verbundenheit zu Gott, erklärte Schmidt.
Wenngleich es in ihrer früheren Ordensgemeinschaft Änderungen gab - nach weiteren Austritten von Mitschwestern, Briefen nach Rom und Visitationen wurde der Äbtissin das Amt entzogen und die Kommunität gründete sich neu - würden die hier beobachteten Strukturen vielerorts weitergehen, "auch heute noch", mahnte die in Deutschland in Missbrauchs-Fragen oft als Expertin herangezogene Ordensfrau. "Das Thema begleitet mich weiter. Immer noch wenden sich Mütter von Schwestern an mich und fragen hilflos: Was soll ich denn tun?"
Ordensgemeinschaften, insbesondere Klöster und Stifte, seien oft "sehr geschlossene Systeme", hinter die man schwer blicken könne, gab Schmidt zu bedenken. Ratsam für die Prävention der hier stets gegebenen Gefahr geistlichen Missbrauchs sei der Blick darauf, "wie und welche Menschen eintreten - geschieht dieser Schritt in Freiheit, und sind es gestandene Persönlichkeiten?" Ordensobere hätten die Aufgabe, hellhörig zu sein, zudem sei oft eine gute externe Begleitung eine richtige Maßnahme.
Wir müssen auch Sprache und Worte finden für Missbrauch, damit Betroffene das einordnen können und nicht nur ein komisches Gefühl dafür haben müssen, das sie ihr Leben lang beeinflusst. Denn das Leben jetzt ist dafür zu kostbar und wichtig.
Alltag als Kinderdorfmutter
Schmidt sprach zudem auch über ihre nunmehrige Tätigkeit als Erziehungsleiterin und "Mutter" im Kinderdorf im Rahmen ihrer Ordensberufung. Das familienähnliche Zusammenleben mit Kindern - derzeit vier - über 24 Stunden am Tag sei eine enorme Herausforderung, zugleich ein "Sprung ins volle Leben", wie sie sagte. "Das Versprechen diesen Kindern gegenüber, dass ich für sie da sein werde, bis sie groß sind, war wie eine nochmalige Profess", so die ausgebildete Kinderkrankenschwester, Diplom-Heilpädagogin und System- und Familientherapeutin. Viele der im Kinderdorf lebenden Kinder hätten Erfahrungen von Misshandlung bis hin zu Missbrauch hinter sich, die meisten seien "hoch bindungsgestört", könnten kaum Vertrauen schöpfen und würden ständig Grenzen ausloten.
Der Alltag als Kinderdorfmutter sei für sie trotz aller Grenzerfahrungen dennoch eine "intensive Gotteserfahrung", so Schmidt, die auch die bei der Versammlung anwesenden Ordensleute an ihre Ausgangsmotivation erinnerte. Die beim Ordenseintritt verspürte große Liebe zu Gott gelte es täglich aufzufrischen - "wie bei einem alten Ehepaar", so die Referentin. Das erfordere auch, sich trotz vielseitiger Beschäftigungen Zeit für Gott zu nehmen.
Schwester Jordana Schmidt wurde 1969 in Deutschland geboren. Sie machte eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. 1990 trat sie in ein dänisches Zisterzienserinnenkloster ein. 1994 wechselte sie zu den Dominikanerinnen von Bethanien. Ab 1997 absolvierte sie ein Studium der Diplomheilpädagogik an der Katholischen Fachhochschule Köln und ließ sich zur System- und Familientherapeutin ausbilden. Schwester Jordana ist seit 2012 Kinderdorfmutter im Bethanien Kinder- und Jugenddorf Schwalmtal-Waldniel, in dem rund 160 Kinder und Jugendliche in allen Altersgruppen betreut werden.
"Wir haben uns vermählt"
Eröffnet wurde der Ordenstag von Vorsitzenden der Männer- und Frauenorden, Abt. em. Christian Haidinger und Sr. Beatrix Mayrhofer. Haidinger hob dabei auch nochmals den zukunftsweisenden Beschluss vom Montag hervor, dass künftig Frauen- und Männerorden in der "Ordenskonferenz Österreich" zusammengeschlossen sind. "Wir haben uns vermählt", so Haidinger mit Augenzwinkern. (Rechtskräftig wird sie allerdings erst, sobald die römische Religiosenkongregation die Statuten der neuen Ordenskonferenz bestätigt.)
Als einen wegweisenden Schritt und als "Riesenchance" würdigte auch Sr. Jordana Schmidt diese Initiative. In Deutschland sei dieselbe Entwicklung geschehen mit der bereits vor Jahren gegründeten gemeinsamen Ordenskonferenz DOK. "Doch das muss immer auch mit Leben gefüllt werden", hob die Ordensfrau hervor. Wichtig seien die "vielen kleinen Dinge des Alltags und der gegenseitigen Wertschätzung" und das Verfolgen gemeinsamer Ziele.
Sr. Schmidt wünschte dem gemeinsamen künftigen Weg der Frauen- und Männerorden vor allem Mut: "Gehören Sie zu den Mutigen, die das Ordensleben vor allem als Leben deutlich machen!", so ihre Botschaft an die anwesenden Ordensvertreter. Österreich sei gegenüber Deutschland in einem Größenvorteil, so Schmidts Eindruck vom Ordenstag: In ihrem Heimatland seien vergleichbare Ordenstreffen nur auf Diözesanebene vorstellbar.
Veränderungen bei den Säkularinstituten
Ihren Abschied nahm bei der Herbsttagung Elisabeth Plach als Vorsitzende der Säkularinstitute Österreichs. Säkularinstitute, von denen es in Österreich neun mit knapp 200 Mitgliedern gibt, sind in der katholischen Kirche neben Ordensgemeinschaften die zweite Form der sogenannten "Institute des geweihten Lebens". In beiden sind die evangelischen Räte Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit Teil der Gemeinschaftsregel. Anders als Ordensgemeinschaften leben die Mitglieder von Säkularinstituten ihre Weihe und Sendung "mitten in der Welt", ohne Klausur und Ordenskleid, wobei sich dieser Unterschied zwischen Orden und Säkularinstituten mittlerweile vielfach verwischt hat.
Orden und Säkularinstitute seien zu einer "Entdeckergemeinschaft" geworden, so Plach in ihrem Grußwort: "Gemeinsam stellen wir uns den Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft." Bei der jüngsten Generalversammlung der Arbeitsgemeinschaft der Säkularinstitute Österreichs wurde Maria Christine Hochleitner, Generalleiterin des Säkularinstitutes "Madonna della Strada", zur Nachfolgerin von Plach gewählt.
Quelle: kathpress