Bolsonaro "ist ein Risiko für die ganze Welt"
Massive Kritik an der "desaströsen" Umwelt- und Sozial- und Menschenrechtspolitik von Präsident Jair Bolsonaro übt die kirchliche brasilianische Kommission für Landpastoral (CPT). "Seine einzige Vision für die Umwelt ist, sie zu Geld zu machen", sagte Renata Costa Cezar de Albuquerque von der CPT im Interview der Nachrichtenagentur "Kathpress" in Wien. Zwar seien die zahlreichen Missstände und ebenso die sozialen Ungerechtigkeiten in Brasilien auch von Vorgängerregierungen bestenfalls nur reduziert worden. Seit der Wahl Bolsonaros aber zeige sich, "dass das, was in langen Kämpfen erreicht wurde, jetzt in ganz kurzer Zeit zerstört wird". Der seit Jahresbeginn amtierende Staatschef sei denn auch "nicht nur ein Risiko für Brasilien, sondern für die ganze Welt".
Die Regierung verkaufe die natürlichen Ressourcen des Landes an multinationale Unternehmen und "stiftet zu Umweltverbrechen an", fand auch der CPT-Mitarbeiter Jose Placido Da Silva Junior klare Worte. So habe Bolsonaro mit seinen Forderungen nach einer stärkeren (land)wirtschaftlichen Nutzung Amazoniens "praktisch zum Legen von Feuer aufgerufen", erinnert Junior an die großflächigen Regenwald-Brände. Im August 2019 waren dreimal so viele Waldbrände gezählt worden wie im August des vorherigen Jahres. Den Direktor des staatlichen Klimainstituts Inpe, Ricardo Galvao, entließ der Präsident, weil dieser auf die Abholzungen aufmerksam machte, die heuer erstmals seit elf Jahren die Marke von 10.000 Quadratkilometern übersprungen haben.
"Keinerlei Plan" aufseiten der Regierung erkennt der Experte der Landpastoral-Kommission auch bei der Bewältigung von Umweltkatastrophen wie dem Dammbruch von Brumadinho oder der jüngsten Ölpest an den Stränden im Nordosten Brasiliens.
Bolsonaro setze zudem auf Gewalt und habe etwa erlaubt, "dass sich die Handlanger des Agro-Business bewaffnen", die nun Indigene und Landlose in Landkonflikten ermorden, verweist der CPT-Vertreter auf die vom Präsident per Dekret deutlich gelockerten Regeln zum Waffenbesitz auch für Großgrundbesitzer. Der Staatspräsident billige damit quasi von oben die Gewalt und fördere zudem durch seine öffentlichen Aussagen "Hass vor allem gegen die Ärmsten".
Eine Million Menschen in Landkonflikten
Die 1975 während der Zeit der Militärdiktatur in Brasilien in der katholischen Kirche gegründete und mittlerweile ökumenisch ausgerichtete Landpastoralkommission setzt sich für eine gerechte Landverteilung ein. Die Partnerorganisation von Welthaus Graz, Dreikönigsaktion und "Horizont3000" unterstützt zudem Landlose, Kleinbauernfamilien und Dorfgemeinschaften, die von Landkonflikten und Menschenrechtsverletzungen betroffen sind.
"2018 waren eine Million Menschen in Brasilien in gewaltsame Landkonflikte verwickelt", berichtete Albuquerque aus den jüngsten Statistiken des CPT-Jahresreports. Gegenüber 2017 bedeutete das einen Anstieg von rund 35 Prozent. Drei Viertel der Betroffenen leben in kleinen Dörfern bzw. gehören der Urbevölkerung an.
Junior etwa begleitet derzeit eine Gemeinde im Bundesstaat Pernambuco im Nordosten, wo sich der Zuckerrohranbau immer mehr ausbreitet. Um neue Agrarflächen zu erhalten, würden Großunternehmen Familien vertreiben, die seit 70, 80 Jahren dort leben, aber keine Landpapiere haben, schildert der CPT-Mitarbeiter. "Jetzt wird von ihnen verlangt, dass sie das Land verlassen." Die Landpastoral helfe, den Menschen bewusst zu machen, dass sie "Recht auf das Land haben" und leiste auch juristischen Beistand, so Junior: "Denn meistens enden diese Konflikte vor Gericht."
Staat missachtet Landrechte
Druck und Gewalt gingen aber nicht nur von privaten Unternehmen aus, die gegen Landbevölkerung vorgehen, wie Renata Albuquerque betont:" Der Staat steht an vorderster Front bei der Missachtung der Landrechte der Landbevölkerung." Immer wieder gebe es sogar direkte Übergriffe polizeiähnlicher Kräfte, die Landarbeiter bedrohe und angreifen. Zudem werde versucht, Führungspersonen der Landlosen-Bewegung zur kriminalisieren. "Sie werden verhaftet, angeklagt, weil sie für ihre Landrechte kämpfen", so Jose Junior.
Die lokale Bevölkerung wird oft auch im Zusammenhang mit staatlichen Infrastrukturprojekten wie Staudämmen oder großen Straßen vertrieben. Als Beispiel führen die CPT-Vertreter den Ausbau des Atlantik-Seehafens von Suape an. "Rund um den Hafen ist altes Fischerland. Dort breitet sich der Hafen hin aus und vertreibt die Leute."
"Agro-Business ein Todesmodell"
Neben Landkonflikten gibt es auch damit zusammenhängende Wasserkonflikte, wenn wie etwa beim Projekt zur Verlegung des Rio Sao Francisco Indigene und Angehörige der Landbevölkerung ihren Zugang zu Wasser zu verlieren drohen. Im Bundesstaat Rio Grande do Norte wiederum bohren große Agrounternehmen Tiefbrunnen für Melonenplantagen, wodurch der Grundwasserspiegel sinkt und in den Brunnen der Landgemeinden das Wasser versiegt.
In ihrem Jahresbericht erfasst die Landpastoral-Kommission auch viele Fälle von Vergiftungen durch den Einsatz von Pestiziden in Monokulturen wie zum Zuckerrohanbau. Für Jose Junior ist klar:
Das Modell des Agro-Business in Brasilien ist ein Todesmodell - es ist tödlich für die Menschen und für die Umwelt.
Quelle: kathpress