Glettler: In Frieden statt in Krieg investieren
"Wenn nur ein Bruchteil der Energie und der Finanzmittel, die in die Kriegsforschung und Entwicklung neuester Waffen investiert werden, in die Friedenssicherung und Friedensforschung fließen würden", dann gäbe es nach Überzeugung des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler "ein wenig Frieden auf Erden". Dieser Vision aus dem Weihnachtsevangelium stünden jedoch aktuelle Entwicklungen wie die Kündigung von Abrüstungsverträgen, neue Atomwaffentests und der Ausbau der Rüstungspotenziale im All entgegen, beklagte Glettler. Friedensarbeit benötige dieselbe Intelligenz, Energie und Investitionsbereitschaft wie die "Erfolgsbranche" der weltweiten Kriegsindustrie. "Auf allen Ebenen muss es zu einer Ächtung des Krieges kommen", so der Bischof.
Glettler beleuchtete im "Don Bosco Kalender 2020" der österreichischen Don-Bosco-Familie, der unter dem Leitwort "Friede sei mit euch!" jüngst publiziert wurde, verschiedene Aspekte des Friedensbegriffs. In seinem Beitrag "Frieden auf Erden: ein Arbeitstitel" stellte er u.a. die Frage nach den Profiteuren von kriegerischen Konflikten. "Natürlich die Waffenproduzenten und Waffenhändler", so Glettlers Antwort, "ebenso die Ölkonzerne und alle, die sonst noch an der Kriegsindustrie beteiligt sind". Der Innsbrucker Bischof plädierte für eine "systematische Besteuerung aller internationalen Waffenexporte", deren Erlöse unzählige friedenssichernde Projekte finanzieren könnten.
Absage an Gewalt im Namen Gottes
Eine "echte Bedrohung für den Weltfrieden" sieht Glettler in islamistischen Terrorgruppierungen. Im notwendigen interreligiösen Dialog müsse auch dieses "friedensgefährdende Gesicht des Islam" benannt werden, "um eine nachhaltige Distanzierung aller Verantwortungsträger zu erreichen", so der Bischof.
Generell sei Friedensarbeit der Auftrag aller Religionen, welche freilich eine ambivalente Rolle hätten: "Religionen tragen ein hohes Friedenspotenzial in sich, aber auch ein Potenzial zur Freisetzung von Gewalt." Der Blick in die Kirchengeschichte mit ihren Kreuzzügen, der Verfolgung Andersgläubiger und anderer "Blutspuren" sollte Christen davon abhalten, sich "über andere zu erheben". Glettler erinnerte an den Hinweis von Papst Franziskus, "dass der Name Gottes die Gewalt nie rechtfertigen kann. Allein der Friede ist heilig."
Eine Episode aus dem Pontifikat von Johannes Paul II. verdeutliche dies, so der Bischof: US-Präsident George Bush senior habe vor dem ersten Irak-Krieg eine Delegation von Beratern und Theologen zum Papst geschickt, um seinen geplanten Angriff ethisch als präventive Verteidigung legitimieren zu lassen. Johannes Paul II. habe sich dem mit der "sensationellen Aussage" verweigert: "Jeder Krieg ist eine Niederlage für die ganze Menschheit."
Friede mehr als Abwesenheit von Krieg
Friede sei freilich mehr als die Abwesenheit von Krieg, betonte der Innsbrucker Bischof. Er nahm dazu Bezug auf Papst Johannes XXIII., der bereits 1963 in seiner wegweisenden Enzyklika "Pacem in terris" auf den engen Zusammenhang von Frieden und einer gerechten Weltordnung hingewiesen hatte. Auch heute gelte noch: Ohne "entschiedene Offensive für einen annähernden Ausgleich von Lebenschancen für einen Großteil der Weltbevölkerung" sei kein nachhaltiger Friede möglich.
Neu zu bewerten ist nach den Worten Glettlers die ökologische Dimension der Friedensarbeit. Nicht zuletzt die "prophetische" Jugend-Bewegung "Fridays for Future" habe verdeutlicht, dass nur eine ganzheitliche Sicht auf die komplexe Situation der Gefährdung des Planeten Erde als Ansatz künftiger Friedensstrategien taugen könne. "Es ist höchste Zeit, dass wir vom Reden zum Tun kommen", betonte Glettler im Blick auf den Klimawandel und damit einhergehende Bedrohungen.
Konfliktkultur statt billiger Harmonie
Entscheidend sei auch das Erlernen einer Konfliktkultur in allen Lebensbereichen. "Wir müssen lernen, Konflikte deutlicher anzusprechen, in sie hineinzugehen und gemeinsam Lösungsstrategien zu entwickeln", so Glettler. Dies widerspreche "Harmonisierungstendenzen, denen wir zur Wahrung eines billigen Friedens allzu oft erliegen", räumte der Bischof ein. Er appellierte:
Speziell wir Christen haben den Auftrag, Konstrukteure der Einheit in unseren Gemeinschaften, Nachbarschaften und Wohnorten zu sein.
Glettler legte allen Gläubigen "Herzensbildung" nahe - als Einübung von Selbstachtung, Empathie, Mitgefühl und Solidarität. Eine so verstandene Herzensbildung sei Voraussetzung für eine "Kultur der Begegnung", die der "Logik des Verdachts und der Verdächtigung" eine Alternative entgegensetze.
Quelle: kathpress