Schönborn: Grundform des priesterlichen Dienstes bleibt zölibatär
Nach den Worten von Kardinal Christoph Schönborn wird die Grundform des priesterlichen Dienstes in der katholischen Kirche die ehelose Lebensform bleiben. Wie der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz als Studiogast in der ZIB 2 am Sonntag zur vor einer Woche zu Ende gegangenen Amazonien-Synode erklärte, halte er parallel dazu verheiratete Priester für sinnvoll und wünschenswert, der Weg der ehelosen Nachfolge Jesu bleibe jedoch der Normalfall. Die Synodalen hatten sich bei ihrer Zusammenkunft in Rom für die Weihe bewährter verheirateter Männer zu Priestern ausgesprochen - als Ausnahme in der pastoral unterversorgten Region Amazonien. Er selbst habe für diesen Vorschlag im Schlussdokument votiert, berichtete Schönborn.
Der Kardinal wandte sich gegen einen verkürzten Blick auf die Synode, deren zentrale Botschaft die Bedrohung einer für das Weltklima entscheidenden Weltgegend gewesen sei. Dieses Problem sei "viel ernster" als die Frage der priesterlichen Lebensform. "Amazonien ist der Ernstfall für das Weltklima und die Zukunft der Welt", so der Kardinal wörtlich. Er verwies einmal mehr auf den deutschen Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, der eindringlich davor gewarnt habe, dass der Tod Amazoniens auch der Tod der Welt sei.
Zentrale Botschaften der Synode beachten
Die Zerstörung der Regenwaldes habe direkt mit dem westlichen Lebensstil zu tun, betonte der Kardinal, "wenn etwa hunderttausende Hektar Wald gerodet werden, um für unseren Fleischkonsum Soja anzubauen". Ein Bischof aus der Amazonas-Region habe in Richtung des Westens gesagt:
Ihr verlangt, dass wir den Wald schützen, aber ihr seid nicht bereit, euren Lebensstil zu ändern.
Die Synode habe die internationale Staatengemeinschaft zum dringenden Handeln aufgerufen, doch darüber finde sich nichts in den Medien, zeigte sich Schönborn enttäuscht.
Eine weitere, kaum beachtete, zentrale Botschaft der Synode sie die Sorge um die indigenen Völker Amazoniens gewesen. Diese seien über Jahrhundert verfolgt und bedroht worden, und würden es bis heute. Ihr Kultur werde zerstört, warnte Schönborn. Die Synode habe zu einem neuen Umgang mit diesen Völkern aufgerufen, doch auch das werde medial nicht beachtet; ebensowenig wie die bei der Synode debattierte Thematik, dass die Pfingstkirchen in Amazonien so starken Zulauf erhalten würden.
Der Kardinal zeigte sei auch enttäuscht von Professor Zulehner und anderen, dass sie in ihren Schlussfolgerungen auf die angeführten zentralen Aussagen der Synode und die so ernste Situation nicht eingehen würden. Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner hatte vor dem Interview in einem eingespielten ZIB 2-Beitrag Amazonien mit dem ebenfalls seelsorglich unterversorgten Waldviertel verglichen. Das sei "an den Haaren herbeigezogen", so Schönborn. Amazonien umfasse ein Gebiet, das so groß wie Europa bis zum russischen Ural sei.
Wir haben im Vergleich zu Amazonien keinen dramatischen Priestermangel. Wir haben zu wenige Priester, aber auch zu wenige Gläubige.
Und dann nochmals auf (mehrmalige) Nachfrage von ZIB 2-Moderator Martin Thür:
Ich habe mich deutlich dafür ausgesprochen, dass wir auch verheiratete Priester brauchen, so wie wir auch verheiratete Diakone haben. Wir brauchen aber auch den ehelosen Priester.
Dies werde die Grundform des katholischen Priesters bleiben, so der Kardinal, der weiters auch sehr persönlich antwortete:
Ich habe diese Lebensform freiwillig gewählt, weil ich dem Lebensmodell Jesu nachfolgen wollte. Freiwillig auf Familie zu verzichten, um für die Menschen da zu sein, das ist für mich auch heute noch ein Ideal.
Der Wiener Erzbischof fügte freilich auch hinzu, dass er in Österreich für rund 30 verheiratete Priester verschiedener katholischer Ostkirchen zuständig ist, die hier ihren Dienst versehen. Diese seien "sehr gute Priester".
Missbrauch und Zölibat
Auf die Frage von Moderator Martin Thür, ob der Priesterzölibat Missbrauchsfälle in der Kirche begünstigt habe, reagierte der Wiener Erzbischof skeptisch: Der weitaus größte Teil an Übergriffen geschehe im familiären Umfeld - durch Täter, die verheiratet sind. Zudem seien die kirchlichen Missbrauchsfälle in den letzten Jahren, seit viel strengere Maßstäbe bei der Auswahl der Priesteramtskandidaten und bei der Ausbildung angelegt würden, stark zurückgegangen.
Nicht der Zölibat oder die Familie begünstige Missbrauch, sondern eine Lebenseinstellung, die von der getroffenen Entscheidung für den priesterlichen Dienst oder für die Familie abweiche, sagte der Kardinal. Niemand werde zur Ehelosigkeit gezwungen, auch er selbst habe sich frei dafür entschieden, fügte Schönborn hinzu. "Deshalb ist die Heilung nicht die Abschaffung des Zölibats, sondern eine klare Orientierung auf das, wofür man sich freiwillig entschieden hat", so der Kardinal.
Zum Priesteramt für Frauen befragt sagte der Kardinal wörtlich: "die Frage ist schwierig und ich habe auch keine klare Lösung dafür." Die derzeitige Lehre der katholischen Kirche und auch der orthodoxen Kirche sei so, dass der Priester- und Bischofsdienst Männern vorbehalten sei.
Das Amt des Diakons habe es in der Kirchengeschichte auch als Amt für Frauen gegeben und die Synodenväter hätten sich dafür ausgesprochen - auch er habe dafür votiert, so Schönborn - dass Papst Franziskus diese Frage weiter prüfen bzw. klären soll, "denn diese Möglichkeit ist sicher nicht definitiv geklärt". Und auf Nachfrage fügte der Kardinal hinzu: "Die Kirche wird sich weiterentwickeln."
Karfreitag und Rücktritt
Zum Bestreben der evangelischen Kirche, den Karfreitag künftig als allgemeinen Feiertag für alle einzuführen, sagte der Kardinal, dass man drüber in guten Gesprächen sei. Diese Frage müsse mit der Regierung und den Sozialpartnern "gut abgeklärt werden".
Auf die Frage nach seinem Rücktritt als Wiener Erzbischof nach der Vollendung des 75. Lebenjahres (mit diesem Alter müssen Diözesanbischöfe laut Kirchenrecht ihren Rücktritt anbieten) bestätigte Schönborn, er habe Papst Franziskus um Entbindung von seiner Aufgabe ersucht. 75 sei ein gutes Alter, in dem man ein so gewichtiges Amt zurücklegen sollte, meinte der am 22. Jänner 1945 geborene Kardinal. Freilich: "Entscheiden muss der Papst und ich werde natürlich das machen, was er entscheidet." Er schätze Papst Franziskus sehr, "und ich vertraue, dass wir eine Lösung finden werden, mit der ich leben kann".
Quelle: kathpress