Amazonas-Bischof Paloschi prangert Genozid an Indios an
Die Gewalt gegen Brasiliens indigene Völker nimmt stetig zu. Darauf hat der Amazonas-Bischof Roque Paloschi im Interview mit "Kathpress" aufmerksam gemacht. Er sprach wörtlich von einem Genozid bzw. auch Ethnozid an den Indigenen Brasiliens, also der Zerstörung der kulturellen Identität der indigenen Völker durch die erzwungene Assimilierung. Erzbischof Paloschi ist Präsident des Indigenen-Missionsrats CIMI der Brasilianischen Bischofskonferenz. Er äußerte sich gegenüber "Kathpress am Rande einer Tagung in Salzburg, die sich am Mittwoch und Donnerstag mit den Ergebnissen der Amazonien-Synode befasste. Der Erzbischof selbst hatte an der Synode teilgenommen.
Paloschi hatte zuletzt mehrmals scharf Position gegenüber Präsident Jair Bolsonaro bezogen. Dieser würde durch seine aggressive Sprache die Gewalt gegen die Ureinwohner fördern. Freilich, nicht nur der brasilianische Präsident oder seine Regierung, sondern das ganze Land sei geprägt von Vorurteilen gegenüber den indigenen Völkern. Der Bischof sprach von Diskriminierung und auch Rassismus. Die Verfassung von 1988 würde zwar den Indigenen Rechte einräumen, diese Rechte seien aber nie implementiert worden. Den Indigenen würden ihre Rechte auf Kultur, Sprache und Land systematisch verweigert, kritisierte der Erzbischof.
Mord, Gebietsverletzung, Plünderung
Erst im September hatte Erzbischof Paloschi den neuen Jahresbericht des katholischen Indigenen-Missionsrats CIMI vorgestellt. Den darin enthaltenen Zahlen zufolge wurden 2018 deutlich mehr Indios getötet (135) als 2017 (110). Mit 62 Tötungsdelikten im vergangenen Jahr führt der nördliche Teilstaat Roraima die Statistik an. In diesem Gebiet plant die Bolosnaro-Regierung derzeit die Erschließung indigener Reservate zur wirtschaftlichen Ausbeutung. Die zweitmeisten Delikte (38) wurden im Bundesstaat Mato Grosso do Sul registriert. Dort leben Mitglieder des Volkes der Guarani-Kaiowa unter prekären Bedingungen. Viele kampieren an Landstraßen, da große Teile ihres Gebietes von Bauern besetzt sind.
Die Zahl der Gebietsverletzungen in den Reservaten nahm den Angaben zufolge ebenfalls zu. So registrierte CIMI im vergangenen Jahr 111 Fälle von Plünderungen. 76 Indio-Siedlungen seien von Goldsuchern, der Holzmafia oder Landräubern heimgesucht worden; 2017 waren 96 solcher Fälle erfasst worden. Der besorgniserregende Trend setze sich in diesem Jahr fort, hieß es. So seien heuer bislang 160 Fälle illegalen Eindringens in Indigenengebiete gezählt worden.
Ein Ziel des 1972 von der brasilianischen Kirche begründeten Indigenen-Missionsrat CIMI (Conselho Indigenista Missionario) ist es, die Rechte der Indigenen auf Eigenständigkeit und kulturelle Identität bewahren zu helfen. In ganz Brasilien ist CIMI bei rund 180 der etwa 300 indigenen Völker aktiv. Wichtiger Bestandteil der Arbeit ist der Kampf um das Fortbestehen der derzeit 690 indigenen Reservate, die hauptsächlich in der Amazonasregion liegen. Wie Erzbischof Paloschi sagte, würde es noch bis zu 130 indigene Völker geben, die Kontakt zur Zivilisation ablehnen.
Indigene kamen selbst zu Wort
Sehr positiv hob der Bischof im "Kathpress"-Gespräch hervor, dass bei der Synode die Indigenen selbst zu Wort kamen. Sie hätten Themen angesprochen, die die Bischöfe selbst so nicht auf ihrer Agenda gehabt hätten.
Paloschi war auch einer jener Bischöfe, die während der Amazonien-Synode in Rom den sogenannten "Katakombenpakt" erneuerten. Mehr als 40 Amazonas-Bischöfe unterzeichneten einen "Pakt für das gemeinsame Haus". Darin geht es um den Schutz der südamerikanischen Region und seiner Bewohner, eine respektvollen Verkündigung des Evangeliums und einen einfachen Lebensstil. Der Pakt wurde am Ende eines Gottesdienstes in der am Stadtrand gelegenen Domitilla-Katakombe unterzeichnet. Die Bischöfe knüpften damit an einen ersten Katakomben-Pakt an, mit dem sich im November 1965 am selben Ort rund 40 lateinamerikanische und einige europäische Bischöfe zu einer Kirche der Armen verpflichtet hatten. Die Kirche müsse eine bescheidene, einfache und dienende Kirche sein, so Erzbischof Paloschi. Das gelte freilich nicht nur für Amazonien, sondern für die ganze Welt.
Er fahre jedenfalls gestärkt und mit neuer Hoffnung von der Synode zurück nach Brasilien. "Wir dürfen uns jetzt keine Wunder erwarten", zeigte sich Paloschi realistisch, aber die Kirche sei nun wieder auf dem richtigen Weg, den es voranzugehen gelte. Dies betreffe etwa auch die Themen der verheirateten Priester und den Frauendiakonat. In beiden Bereichen seien nun auch die regionalen Bischofskonferenzen gefordert, sagte Paloschi.
Paloschi wurde im Mai 2005 zum Bischof der Diözese Roraima im brasilianischen Amazonasgebiet ernannt. In der Bischofskonferenz arbeitet er zu Fragen der Zukunft der Landwirtschaft, sowie zu Caritas, Gerechtigkeit und Friede. Im September 2015 wurde er als Nachfolger von Bischof Erwin Kräutler zum Präsidenten des Indianer-Missionsrates CIMI gewählt. Seit Oktober 2015 ist er der Erzbischof von Porto Velho im Bundesstaat Rondonia.
Quelle: kathpress