Klasnic: Kirche vorbildlich bei Umgang mit Missbrauch
"Niemand hat so viel gemacht wie die katholische Kirche", um Missbrauchsfälle der Vergangenheit aufzuarbeiten, den Opfern gerecht zu werden und Präventivmaßnahmen zu setzen: Das hat die Unabhängige Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic am Montagabend bei einer Diskussion im Grazer Schubertkino zum Francois-Ozon-Film "Gelobt sei Gott" über den Missbrauchsskandal in der Erzdiözese Lyon erklärt. Mit Klasnic diskutierten der Grazer Moraltheologe Walter Schaupp und der diözesane Gerichtsvikar Gerhard Hörting, Moderator war Helmut Kirchengast.
Mehr als 2500 Fälle habe die unabhängige Opferschutzanwaltschaft gegen Missbrauch und Gewalt seit ihrer Gründung im Jahr 2010 bearbeitet, informierte Klasnic laut der Website der Diözese Graz-Seckau. "Bei allen Erstgesprächen war unser erstes Bestreben, das Leid anzuerkennen und um Entschuldigung zu bitten." Mehr als 27 Millionen Euro habe die durchwegs mit kirchenunabhängigen Fachleuten besetzte Kommission bisher für Therapie und Entschädigung zugesprochen. Der Umgang der katholischen Kirche in Österreich mit Missbrauch sei vorbildlich für andere Organisationen und Länder, hielt die Opferschutzanwältin fest. Dabei würden nur 1,5 Prozent aller Übergriffe die Kirche betreffen, seit 2004 gebe im kirchlichen Umfeld in Österreich praktisch keine Fälle mehr.
In der katholischen Kirche hat sich seit Bekanntwerden dieser Verbrechen viel getan, bestätigte Gerichtsvikar Hörting. Er verwies auf Änderungen in der Priesterausbildung mit psychologischen Tests und Begleitung. Dazu gebe es eine von der Bischofskonferenz vorgegebene Rahmenordnung für ein Verfahren im Fall eines Verdachtsfalles sowie eine Leitlinie zum Thema Missbrauch, die von allen Diözesanangestellten unterschrieben werden muss. Dennoch müsse das Thema präsent bleiben, betonte Hörting: "Missbrauch ist kein moralisches Thema, sondern ein Verbrechen - und wir müssen über dieses Verbrechen reden." Denn Schweigen mache ohnmächtig.
Moraltheologe Schaupp unterstrich die Wichtigkeit der Versöhnung: "Man war schnell mit Bekenntnis und Wiedergutmachung, aber nicht mit der Reue." Das Fehlen von Reue seitens der Täter belaste viele Opfer bis heute. Opferanwältin Klasnic gab dazu zu bedenken, dass man vieles nicht wiedergutmachen könne: "Das Leben der Betroffenen ist oft gebrochen und sie wissen nicht, warum sie scheitern." Um möglichst alle Betroffenen mit Anspruch auf eine Opferschutzrente zu erreichen, führe man auch Gespräche in Heimen und auch Gefängnissen.
Neben dem sexuellen Missbrauch tritt laut der Diözese Graz-Seckau eine weitere Form des Missbrauchs zutage: der Missbrauch von Macht in Abhängigkeitsverhältnissen - nicht nur in der Kirche, sondern zum Beispiel auch in der Medizin. Diesem Thema widmet sich ein Symposium, das die Diözese am 29. und 30. November zusammen mit der Medizinischen Universität Graz und Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Graz veranstaltet.
Quelle: kathpress