Theologe über neuen Heiligen Newman: "Erst Gewissen, dann Papst"
"Erst das Gewissen, dann der Papst": Dies bringt laut dem Innsbrucker Theologen Roman Siebenrock einen Grundsatz der Gewissen-Lehre des am 13. Oktober heiliggesprochenen Kardinals und Konvertiten John Henry Newman auf den Punkt: "Wenn wir, was notwendig ist, unsere Meinung und unser Gewissen bilden wollen, empfiehlt Newman, in weltlichen Fragen auf den König (also auf die Autoritäten in diesem Bereich) zu hören, in geistlichen aber auf den Papst, d. h. auf die Gesamtkirche", erläuterte Siebenrock in einem Interview der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag". Jedoch könnten diese beiden Autoritäten keinen absoluten Gehorsam verlangen. "Dieser kann nur dem eigenen Gewissen eingeräumt werden", so der Dogmatiker und Fundamentaltheologe.
Der 1845 zur römisch-katholischen Kirche übergetretene vormalige anglikanische Pfarrer der Universitätskirche von Oxford sei davon überzeugt gewesen, dass jeder Mensch über einen moralischen Sinn und damit die Fähigkeit verfüge, zwischen gut und böse zu unterscheiden. Das Gewissen sei für Newman "der ursprüngliche Statthalter Christi und der Ort, in dem ich Gott begegne", hielt Siebenrock fest. Damit gemeint sei jedoch "keine Burg, sondern ein sehr sensibler Ort, den ich in Gebet, ernsthafter Lebensweise und Treue zu pflegen habe". Das Gewissen sei so etwas wie ein "Begleiter auf der Pilgerschaft, ein Sensorium auf dem Weg".
Kennzeichnend für Kardinal Newman ist dementsprechend nach den Worten des Theologen auch Veränderungsbereitschaft: In seinen Schriften begegne er einem Christen, der im Glauben einen lebenslangen Lern- und Wandlungsprozess erfuhr und auch die heutigen Gläubigen dazu ermutigt. Siebenrock zitierte dazu ein Wort des Konvertiten aus dem Jahr 1845:
In einer Höheren Welt ist es anders, aber hienieden heißt leben sich wandeln, und vollkommen sein heißt sich oft gewandelt haben.
"Geschenk der englischen Kirche an uns"
Newman sei "ein großes Geschenk der englischen Kirche an uns", befand Siebenrock. Denn er habe die damalige römisch-katholische Kirche nicht einfach bestätigt, sondern ihr Entwicklung und Veränderung zugemutet. Seinem Eindruck nach habe Newman dafür gesorgt, so der Theologe, "dass die Kirche seiner Zeit sich nicht vollständig in den Antimodernismus verrannt hat". Aus seiner anglikanischen Herkunftskirche habe Newman Aspekte eingebracht, "die damals und teilweise bis heute verschüttet waren und sind". Als Beispiel nannte Siebenrock die Bedeutung des Konsenses aller Glaubenden ("sensus fidelium", Anm.) für die kirchliche Lehre.
Würdigend erwähnte Siebenrock weiters, dass Newman ein Konvertit ohne "Konvertitis" gewesen sei und immer mit Hochachtung und Dankbarkeit von der anglikanischen Kirche gesprochen habe. Newman sei heute eine "Brücke zwischen Anglikanern und Katholiken", weil die anglikanische Kirche ihn schon lange in ihren offiziellen Heiligenkalender aufgenommen hat.
Quelle: kathpress