P. Helm: Katakombenpakt bei Synode war "prophetisches Testament"
Als "prophetisches Testament" hat der Steyler Missionar P. Franz Helm den am Sonntag von Dutzenden Teilnehmern der Amazonien-Synode in Rom unterzeichneten "Katakombenpakt" bezeichnet. Die Selbstverpflichtung fasse auf drei Seiten zusammen, wie die Schlüsselfiguren der noch diese Woche tagenden Bischofsversammlung die kirchliche Sendung und ihren persönlichen Einsatz sähen.
"Das Dokument aktualisiert den Katakombenpakt der 'dienenden und armen Kirche' von 1965 und weitet diesen stark aus - vor allem auf die ökologische Verpflichtung, mit welcher eine samaritanische Kirche der bedrohten Schöpfung und auch den Menschen dienen soll", erklärte der theologische Referent der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für Entwicklung und Mission (KOO) am Montag im Interview mit "Kathpress".
P. Helm befindet sich seit der Vorwoche in Rom und wurde Augenzeuge der Unterzeichnung, die im Rahmen einer Eucharistiefeier in der römischen Domitilla-Katakombe stattfand. "Die Feier begann mit einem Ritus, bei dem auf ein Tuch ein roter Daumenabdruck hinterlassen wurde. Das Rot kam aus dem Saft einer Amazonas-Frucht. Anschließend gab es eine Tauferneuerung", berichtete der frühere Generalsekretär der Superiorenkonferenz der Männerorden.
Die Unterzeichner - darunter der österreichisch-brasilianische Bischof Erwin Kräutler und die Kardinäle Claudio Hummes und Pedro Barreto, Präsident und Vizepräsident des kirchlichen Amazonien-Netzwerkes REPAM, verpflichteten sich mit dem Pakt ausdrücklich zum Einsatz u.a. für eine "integrale Ökologie" und Regenwald-Schutz, zur "vorrangigen Option für die Armen, vor allem unter den Indigenen", zu Ökumene, einer synodalen Kirche und Anerkennung der Frauen als Gemeindeleiterinnen.
Kräutler ein "Bekenner"
Beeindruckt zeigte sich der österreichische Ordensmann von der Gegenwart vieler Indigener bei dem Gottesdienst, sowie auch davon, dass neben den Bischöfen auch viele Ordensleute - Frauen und Männer - sowie Synoden-Mitarbeiter und Laien unter den Erstunterzeichnern waren. "Der Pakt beschränkt sich nicht auf Synodenväter und -mütter", so P. Helm. Man habe ein ähnlich starkes Zeichen gesetzt wie beim Vorgängerpakt von 1965, als - damals noch geheim - während des Zweiten Vatikanischen Konzils jene "Option für die Armen" vorweggenommen worden sei, für welche sich die lateinamerikanischen Bischöfe dann 1979 bei ihrer Versammlung in Puebla auch offiziell aussprachen.
Kardinal Hummes habe nunmehr in seiner Predigt hervorgehoben, dass es in Treue zum Evangelium und in der Nachfolge Jesu Christi notwendig sei, eine klare Option zu treffen für die Armen und für den Planeten Erde als das "Gemeinsame Haus", berichtete P. Helm weiter. Hummes habe an den brasilianischen Erzbischof Dom Helder Camara (1909-1999) erinnert und dessen Stola bei der Messe getragen. Eine weitere Stola - die des Märtyrer-Priesters Josimo Morais Tavares (1953-1988) - habe er nach dem Schlusssegen Bischof Kräutler überreicht und den österreichisch-brasilianischen Bischof als einen "Bekenner bezeichnet, der mit seinem Leben wie Tavares einsteht für das Amazonas-Gebiet und für seine Bewohner".
Falsches Missionsverständnis bei Synoden-Kritikern
Viel geschehe bei der Außerordentlichen Bischofsversammlung außerhalb der Synodenaula, hatte P. Helm bereits zuvor in einem Interview mit dem Medienbüro der Ordensgemeinschaften dargelegt: Die Synoden-Teilnehmer würden zwischen den zweimal täglichen Sitzungen immer wieder Vertretern indigener Völker oder pastoralen Mitarbeiter aus dem Amazonasgebiet oder von kirchlichen Hilfswerken begegnen und mit ihnen Kontakt pflegen, zudem gebe es eine Reihe von Begleitveranstaltungen, Gebeten und Gesprächsrunden, organisiert von kirchlichen Solidaritäts- und Umweltorganisationen.
Besonders hob der Ordensmann dabei eine Ausstellung in der Kirche "Santa Maria in Traspontina" hervor, in der Eindrücke über indigene Spiritualität, Märtyrer-Biografien oder Auswirkungen des rücksichtslosen Raubbaus im Amazonasgebiet dargeboten werden. Eine hier ausgestellte Holzstatue einer knienden schwangeren Indigenen-Frau, die zuvor bei der Synoden-Eröffnungsliturgie im Petersdom verwendet worden war, wurde später von rechtskatholischen Kreisen in Sozialen Medien stark kritisiert. Dem Vorwurf, das Heidentum sei in die geweihte Kirche eingezogen und entweihe sie, stelle die Statue doch die heidnische Gottheit "Pachamama" (Mutter Erde) dar, sei der Leiter des vatikanischen Kommunikations-Dikasteriums, Paolo Ruffini, vor Journalisten mit großer Gelassenheit begegnet, erinnerte Helm: Sie sei ein "Symbol für das Leben", in Einklang mit der Lehre Jesu.
Immer wieder würden traditionalistische Kreise gezielt die Glaubwürdigkeit der Synode oder einzelner Teilnehmer untergraben, kritisierte der Steyler Missionar. Wenn dabei in den Medien verbreitet werde, es gehe dabei statt um Evangelisierung nur um ökologische und wirtschaftliche Fragen oder solche betreffend der Kirchenstruktur, "dann haben diese Kreise nicht begriffen, dass Evangelisierung etwas Ganzheitliches ist, das auf das ganze Leben und alle Kreaturen abzielt". Die im Mittelpunkt der Synode stehende Kernfrage eines "guten Lebens für alle" entspreche der Botschaft Jesu des "Lebens in Fülle", erklärte P. Helm. Zudem sei die Evangelisierung nicht von Strukturfragen zu trennen, wie etwa von jener nach Mitteln und Voraussetzungen für Evangelisierung oder nach Faktoren wie Frauen-Benachteiligung oder einseitige Machtverteilung, welche die Kirche unglaubwürdig machten.
Auch indigene Kulturen würden angegriffen, wenn den Amazonas-Völkern etwa das gezielte Töten von Kindern (Infantizid) vorgeworfen würde. Helm dazu: "In der Tat gibt es vereinzelt diese Praxis. Aber damit generell die indigenen Kulturen und das Konzept der 'Inkulturation' schlecht zu machen ist ein Skandal. Es macht pauschal die Opfer unseres räuberischen Systems zu Tätern. Und es negiert die grausame Vernichtung ganzer Völker, ihrer Kulturen und Lebensräume."
Impulse aus Lateinamerika
Zwischen Lateinamerika und Europa gebe es schon lange eine Wechselwirkung auch im kirchlichen Bereich, erklärte P. Helm. So seien etwa die Basisgemeinden, die Befreiungstheologie oder die kontextuelle Bibellektüre bleibende Impulse gewesen. Nun gebe es in Blick auf Amazonien die Erwartung, "dass die ganzheitliche Spiritualität indigener Völker und ihre Naturverbundenheit uns helfen könnte, aus der Sackgasse unserer individualistischen technisierten Lebensweise und Weltsicht zu kommen, die den Planeten Erde massiv schädigt", sagte Helm, und fügte hinzu: "Und natürlich gibt es auch die Hoffnung, dass eine Änderung der Zulassungsbedingungen für Weiheämter in der Amazonasregion den Weg bahnen könnte für die nötigen Veränderungen auch bei uns."
Äußerungen von entscheidenden Teilnehmern - u.a. Kardinal Christoph Schönborn - ließen darauf hoffen, "dass die Stimme der Indigenen und der Schrei der Völker Amazoniens im Schlussdokument Gehör finden und auch die Rolle der Frau in der Kirche eine Aufwertung findet", so P. Helms Einschätzung gegenüber "Kathpress". Um zu konkreten Handlungsschritten und Lösungen der bestehenden Probleme zu finden, werde es allerdings "sicher noch mehr brauchen als diese Synode" - weshalb auch nach deren Abschluss eine "intensive Weiterarbeit" angesagt sei.
Quelle: kathpress