Chalupka: "Anstieg der weltweit Hungernden ist Skandal"
Es ist skandalös, dass die Zahl der Hungernden auf der Welt bereits das dritte Jahr in Folge wieder zunimmt.
Das hat der evangelische Bischof Michael Chalupka in einer Aussendung anlässlich des Welternährungstages (16. Oktober) betont. Fast 822 Millionen Menschen weltweit - das ist etwa jeder neunte - sind laut einem Bericht der Welternährungsorganisation FAO unterernährt, mehr als 113 Millionen leiden Hunger. Mit Kindern der Evangelischen Schule am Wiener Karlsplatz hat Chalupka am Montag Brot gebacken, um sie und die Öffentlichkeit für das Thema des globalen Hungers zu sensibilisieren.
Chalupka ist als evangelisch-lutherischer Bischof auch Schirmherr der Hilfsorganisation "Brot für die Welt". Von dem Getreide, das jährlich weltweit geerntet wird, diene nur weniger als die Hälfte der menschlichen Ernährung, hieß es am Dienstag von Seiten "Brot für die Welt". Ein großer Teil werde zu Tierfutter oder Treibstoff verarbeitet, vieles lande im Müll. Maßgeblichen Einfluss auf die aktuellen Hungerzahlen hätten darüber hinaus neben Kriegen und Konflikten auch Klimaveränderungen. Chalupka:
Stärkere Überschwemmungen, heftige Unwetter und häufiger auftretende Dürren bedrohen die Lebensgrundlage der Menschen - besonders im Globalen Süden. Jene Menschen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen leiden am meisten unter dessen Folgen.
Um Hunger erfolgreich zu bekämpfen sei dringend politisches Engagement gefordert. Österreich habe sich hingegen in den vergangenen Jahren vom Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, weit entfernt.
Von 2005 bis 2015 war die Zahl der unterernährten Menschen weltweit von 947 auf 785 Millionen gesunken. Seitdem steigt die Rate jedoch wieder an, besonders massiv im subsaharischen Afrika. Hier ist fast jeder fünfte Bewohner unterernährt, in Ostafrika gar jeder dritte. In allen Kontinenten sind Frauen größeren Nahrungsunsicherheiten ausgesetzt als Männer. Die Gefahr der Mangelernährung ist bei ihnen um zehn Prozent höher. Der Fortschritt im Kampf gegen Hunger und Mangelernährung gehe jedenfalls zu langsam, um die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) der Vereinten Nationen bis 2030 zu erreichen - bis dahin sollte laut Zielsetzung von 2016 der weltweite Hunger beseitigt sein, hielt "Brot für die Welt" fest.
Auch Caritas spricht von "Skandal"
Schon am Sonntag hatte auch die Caritas anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober vor den Auswirkungen der Klimakrise auf den weltweiten Hunger gewarnt. "Die Folgen der Klimakrise treffen Menschen in den ärmsten Regionen der Welt am härtesten", warnte Caritas-Präsident Michael Landau. Frauen, kleinbäuerliche Familien, Kinder, die von dem leben müssten, das sie selbst anbauen, seien den veränderten Umweltbedingungen unmittelbar ausgesetzt. Von einem "Skandal" sprach auch der neue Caritas-Österreich-Auslandshilfechef Andreas Knapp.
Hunger zu bekämpfen sei ein zentrales Ziel der Caritas-Hilfsprojekte im Ausland. Neben Nahrungsmittelhilfe für Menschen in Not, unterstützt die Caritas Bauern dabei, ihre landwirtschaftlichen Methoden an die veränderten Klimabedingungen anzupassen: Im Südsudan etwa werden Nutz- und Obstbäume gepflanzt, die auch als Erosionsschutz dienen. In Südasien verwenden Familien in einem Caritas-Landwirtschaftsprogramm Saatgut, das auch viel Trockenheit aushält. Zusätzlich fördert die Caritas den Ausbau von Tröpfchen-Bewässerungsanlagen, um die Ernten zu steigern.
Zentralafrika Schlusslicht beim Welthunger-Index
Die deutsche Hilfsorganisation Welthungerhilfe hat derweil am Dienstag in Berlin den aktuellen Welthunger-Index vorgestellt. In der Zentralafrikanischen Republik sind demnach in Relation zur Gesamtbevölkerung die meisten Menschen von Unterernährung betroffen. In drei weiteren afrikanischen Staaten - Tschad, Madagaskar und Sambia - sowie dem auf der Arabischen Halbinsel gelegenen Jemen ist die Situation demnach "sehr ernst". Weitere 43 der 117 berücksichtigen Länder wiesen "ernste Hungerwerte" auf, hieß es.
Neben Subsahara-Afrika ist Südasien von Ernährungsunsicherheit in besonderem Maß betroffen. Fortschritte beim Kampf gegen den Hunger bescheinigt der aktuelle Index Angola, Ruanda und Äthiopien. Rückschläge mussten dagegen unter anderem die Menschen im Libanon und in Venezuela verkraften.
Für 15 Länder lag kein ausreichendes Datenmaterial vor, weswegen sie nicht im Index erfasst wurden. In neun dieser Länder - in Burundi, auf den Komoren, im Kongo, in Eritrea, Libyen, Papua-Neuguinea, Somalia, Südsudan und Syrien - gebe das verfügbare statistische Material allerdings "Anlass zu großer Besorgnis".
Bis 2050 werde die Weltbevölkerung voraussichtlich auf zehn Milliarden Menschen anwachsen, so die Experten. Um deren Ernährung sicherzustellen und den etwa durch Kriege und Konflikte oder die Folgen des Klimawandels resultierenden aktuellen Herausforderungen zu begegnen, seien "fundamentale Veränderungen des globalen Ernährungssystems" erforderlich.
Wetterkatastrophen verdoppelt
Seit Anfang der 1990er Jahre habe sich die Zahl der extremwetterbedingten Katastrophen verdoppelt, heißt es im Bericht. Dies führe gerade in ärmeren Ländern zu sinkenden Ernteerträgen, steigenden Nahrungsmittelpreisen und Einkommensverlusten.
Weiter halten die Autoren der Studie fest:
Für die Zukunft prognostizieren Klimamodelle höhere Durchschnittstemperaturen in den meisten Land- und Meeresregionen, Hitzewellen in den meisten bewohnten Gebieten sowie in einigen Regionen starke Niederschläge und eine immer höhere Dürrewahrscheinlichkeit.
All dies erschwere den Kampf gegen den Hunger. Die Experten mahnen eine "radikale Veränderung der Produktions- und Konsummuster" insbesondere in einkommensstarken Ländern an. Dazu gehöre beispielsweise auch, weniger Lebensmittel zu verschwenden. Klima-, Ernährungs- und Handelspolitik müssten zudem besser aufeinander abgestimmt sein, um beispielsweise zu verhindern, dass landwirtschaftliche Flächen in Entwicklungs- und Schwellenländern in großem Stil für die Bioenergieproduktion genutzt würden, anstatt die Ernährung der Menschen vor Ort sicherzustellen.
Der Welthunger-Index wird seit 2006 jährlich von der Welthungerhilfe mit Sitz in Bonn sowie der irischen Organisation Concern Worldwide veröffentlicht. Die auf Basis von Datenmaterial der Vereinten Nationen erstellte Rangliste soll Auskunft geben über den Anteil an Unterernährten, an Auszehrung und Wachstumsverzögerungen bei Kindern unter fünf Jahren sowie über deren Sterblichkeitsrate.
Quelle: kathpress