Neue interreligiöse Plattform gegründet
In Wien hat sich am Montag eine neue interreligiöse Plattform gegründet, die sich in die UNO einbringen und die Rolle der Religionen in der UNO zur Geltung bringen will. Vertreter verschiedener Kirchen (römisch-katholisch, evangelisch, altkatholisch, syrisch-orthodox), von Judentum, Islam und Buddhismus unterzeichneten nach einer Konferenz in der Wiener UNO-City eine entsprechende Gründungsurkunde. Für die Erzdiözese Wien sprach der Wiener Weihbischof Franz Scharl bei der Unterzeichnung von der Hoffnung, dass damit ein konstruktiver Beitrag für den Frieden in der Welt geleistet werde. Er glaube an das Gelingen der Initiative, für die es freilich einen langen Atem brauchen werde.
Die Protagonisten der neuen "Coalition of Faith based Organizations" verfolgen mit ihrer Initiative auch gleich ein konkretes Vorhaben. Beim im April 2020 anstehenden 14. UN-Kongress zum Thema Strafrecht in Kyoto (Japan) soll der Grundsatz angenommen werden, wonach die Behandlung von Gefangenen, die Erziehung zu Gerechtigkeit und die bessere Achtung der Menschenwürde auch der religiösen Gefangenen mehr zu respektieren und unterschiedliche Religionsbekenntnisse mehr zu tolerieren seien.
Das würde etwa für die aufgrund ihres Glaubens inhaftierten Menschen in China, Pakistan, Eritrea, Iran und vielen anderen Ländern eine massive Unterstützung bedeuten, so Elmar Kuhn, Generalsekretär von "Christen und Not" und einer der Initiatoren der Plattform gemeinsam mit Weihbischof Scharl und dem UN-Mitarbeiter Michael Platzer, gegenüber "Kathpress".
Gefängnis "einer der religiösesten Orte"
Die Unterzeichnung der Gründungsurkunde fand am Montagabend im Curhaus am Stephansplatz statt und war zugleich auch der Auftakt für eine Podiumsdiskussion zum Thema "Spiritualität und Justiz - Kooperationsfelder?". Der evangelische Pfarrer Markus Fellinger, der seit acht Jahren Gefängnisseelsorger ist, bezeichnete das Gefängnis als "den religiösesten Ort überhaupt in der Gesellschaft". Eine solche religiöse wie auch kulturelle Pluralität wie im Gefängnis finde man sonst kaum, so der Pfarrer. Er verwies darauf, dass in den Gefängnissen Ostösterreichs nur 25 Prozent der Insassen österreichische Staatsbürger seien, und von diesen hätten nochmals die Hälfte Migrationshintergrund. Bis in die engsten Hafträume hinein seien dort diverse Kulturen vereint.
Für die Seelsorge gelte es, künftig stärker überkonfessionell zu denken. Es brauche einen neuen Seelsorgebegriff, "der sich mehr an einer allgemeinen Spiritualität orientiert als an der konkreten Religions- oder Kirchenzugehörigkeit der einzelnen Insassen". Freilich räumte Fellinger auch ein: "Wir tun uns sehr schwer, mit dieser multikulturellen Pluralität umzugehen."
Der altkatholische Bischof Heinz Lederleitner sprach vom "Recht als eine geerdete Form der Liebe". Ohne Recht könne auch Liebe nicht verwirklicht werden, denn Recht und Liebe würden einander ergänzen, wie auch Recht und Spiritualität zusammen gehörten. Das müsse bei der Gefängnisseelsorge zum Tragen kommen. Die Gründung der neuen interreligiösen Plattform bezeichnete Lederleitner als "möglicherweise historischen Akt". Freilich müsse die Initiative auch von möglichst vielen Menschen guten Willens an der Basis mitgetragen werden.
Dzemal Sibljakovic, Leiter der islamischen Gefängnisseelsorge in Österreich und früherer Lehrer, meinte ergänzend zu Pfarrer Fellinger: "Als multikultureller Ort kommt eine Schule oft nahe an eine Haftanstalt heran." Es sei problematisch, Religionen immer nur im Zusammenhang mit Problemen heranzuziehen. Der gebürtige Bosnier plädierte für "Rechtmäßigkeit der Religion in einem Rechtsstaat". Spiritueller Zugang habe einen Mehrwert, könne er in seiner Arbeit als Gefängnisseelsorger immer wieder erleben.
Keine Alternative zum Dialog
Die Bedeutung des Dialogs hob u.a. der Präsident der Buddhistischen Religionsgesellschaft, Gerhard Weissgrab, hervor. Er rief zum Miteinander auf: "Bei Problemen gibt es keine Alternative zum Dialog." Ziel des interreligiösen Dialogs sei es nicht, eine gemeinsame Einheitsreligion zu schaffen, vielmehr dürften Unterschiede bestehen bleiben und müssten respektiert werden. Gleichzeit gelte es, Gemeinsamkeiten zu suchen. Dafür brauche es "unendliche Geduld", müsse doch der interreligiöse Dialog "immer wieder aufs Neue begonnen werden" - was nicht als Scheitern missverstanden werden dürfe, wie Weissgra betonte. Es handle sich dabei vielmehr um eine "normale, wenn auch mühsame Herausforderung".
Auch John Clark von der Jüdischen Liberalen Gemeinde in Wien legte ein Plädoyer für den Dialog ab. Er ermutigte dazu, den Austausch mit Vertretern anderer Religionen zu suchen. "Aus der Vielfalt beziehen wir Stärke. Zusammenhalt gibt Kraft", so Clark.
Das in Wien ansässige "König Abdullah Zentrum für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog" (KAICIID) hält Partnerschaften wie die neu konstituierte "Coalition of Faith based Organizations" für wichtig im Sinne nachhaltiger Entwicklung. Das betonte Renata K. Nelson als Vertreterin des Dialogzentrums in ihrem Statement. Sie verwies auf bereits bestehende Kooperationen zwischen religiösen und internationalen Organisationen.
Der heimische Diplomat Martin Pammer, im Außenministerium für den Dialog der Kulturen verantwortlich, fasste in seinem Statement den Grundtenor der neuen Initiative zusammen: Religion müsse Teil der Lösung von Konflikten sein und nicht das eigentliche Problem.
An der Konferenz in der Wiener UNO-City hatten neben den Vertretern der Kirchen und Religionen auch zahlreiche Botschafter und Vertreter der Vereinten Nationen teilgenommen; weiters auch Fr. Mike Deeb, ständiger Vertreter des Dominikanerordens bei den Vereinten Nationen.
Quelle: kathpress