Steyler-Generalprior: Europas Kirche muss bescheidener werden
Die Kirche in Europa wie auch weltweit muss "missionarischer" werden - was ein Sich-Zurücknehmen und verstärktes Hinhören auf Probleme der Menschen miteinschließt: Das hat der Generalprior der Steyler Missionare, P. Paulus Budi Kleden (53), am Mittwoch in einem Wiener Pressegespräch anlässlich des am Dienstag begonnenen "Außerordentlichen Monats der Weltmission" hervorgehoben. Virulent werde dies auch bei der am Sonntag beginnenden Amazonien-Synode, die Antworten auf "drei brennende Fragen geben müsse: Die nach dem Umgang mit ethnischen Minderheiten, deren Lebensraum und der Umwelt, nach dem Erbe des Kolonialismus und nach den kirchlichen Diensten." Ein Weitermachen wie bisher nach europäischem Muster sei vielerorts unmöglich, hätten ihm Besuche in Brasilien gezeigt, so P. Kleden.
Die Probleme der Kirche Amazoniens seien jedoch nicht auf Südamerika beschränkt: Auch anderorts wie etwa in West-Papua sei die Praxis des Landraubs an Indigenen für die Schaffung von Palmölplantagen durch Großkonzerne weit verbreitet. Auch hier gäbe es Pfarren mit bis zu 40 Außenstationen, die von den Priestern nur einmal jährlich per Flugzeug angesteuert werden. "In einigen Ortskirchen erlaubt die Realität kein gesundes Wachstum der Gemeinden, da man von geweihten Christen abhängig ist", mahnte der aus Indonesien stammende Ordensobere. Die Debatte um eine Priesterweihe bewährter Männer - der "Viri probati" - laufe daher auch in Südostasien seit bereits über zwei Jahrzehnten intensiv. Dramatische Änderungen erwarte er hierzu von der Synode dennoch nicht:
Solche Lösungen brauchen Zeit. Es ist schon viel erreicht, wenn über das Thema gesprochen wird.
Bei "Mission" zwingend an Taufe, Werbung für Kirchenmitgliedschaft oder eine Sprecher-Zuhörer-Konstellation zu denken hielt der Leiter des mit 6.000 Mitgliedern sechstgrößten Männerordens - ein Viertel davon stammt aus Indonesien - für verfehlt. In seiner Gemeinschaft werde der Begriff übersetzt als "prophetischer Dialog". "Wir haben als Kirche eine Botschaft, müssen aber zuvor auch zuhören und die Rechte und Würde der Menschen sowie ihre Kulturen respektieren. Es geht dabei um die Begegnung, die nur dann stattfindet, wenn man bereit ist, dem anderen zu helfen, zu teilen, vom anderen zu lernen und eigene Vorurteile bewusst zu machen", erklärte P. Kleden. Sollte es zu einer inneren "Bekehrung" kommen, so sei dies "nur dem Heiligen Geist zuzuschreiben".
Anknüpfungspunkte finden
Missionstätigkeit in Europa sehe er als "schwieriger als in den anderen Weltregionen", so der Steyler Missionar - und relativierte gleich: "Auch wenn die Säkularisierung weit fortgeschritten ist, denke ich nicht, dass die Europäer den Sinn für die andere Dimension des Lebens verloren haben." Höre man den Jugendlichen zu, sprächen sie zwar nie über Gott oder Kirche - "doch es gibt Themen, an denen ich als Christ oder Priester anknüpfen kann, ohne den Glauben als solchen zu nennen". Mut und Kreativität seien nötig, um gewohnte Räume zu verlassen und in die "Peripherien" aus Kirchensicht zu gehen, auch im Sprachgebrauch. "Unsere Möglichkeiten hier sind anders als die, die wir aus der Großkirchen-Tradition kennen. Wir müssen uns Bescheidenheit angewöhnen."
P. Kleden berichtete von einer Schweizer Kleingemeinde, die längere Zeit keine Priester hatte, bis er selbst Mitte der 1990er-Jahre als Frischgeweihter für zwei Jahre dorthin kam. "Außer der Messe gab es hier nichts, und nur Senioren saßen hier. Was sollte ich mit der Jugend machen?" Er begann, eine Sportgruppe und Theateraufführungen zu besuchen, schloss erste Bekanntschaften mit der Altersgruppe - ehe er dann eine Gruppe einlud und für sie kochte. "Nach meiner Frage, was sie von mir erwarteten, fuhr ich mit ihnen Ski und ging ins Kino mit. Erst später interessierten sie sich für einen Jugendgottesdienst, und als ich sie um Mithilfe bat, hieß es: Nur dieses eine Mal." Fazit des heutigen Steyler-Oberen: "Auch die gemeinsam verbrachte Zeit und die Glaubensgespräche dabei waren wichtig."
Eigene Ansprüche relativieren
Österreich hat für den Ordensmann eine besondere Bedeutung - verbrachte er doch seine Ausbildungszeit in St. Gabriel bei Mödling und das Diakonatsjahr in der Pfarre Wien-Stadlau. Während seiner Zeit im Missionshaus St. Gabriel wütete gerade der Bosnienkrieg und es erging der Aufruf der Kirche an alle, Pfarren und Ordenshäuser für Flüchtlinge zu öffnen. Bei der damaligen Gründung des Flüchtlingsheims St. Gabriel habe der Orden "eigene Ängste überwinden" müssen - und sei daran gewachsen, befand P. Kleden.
Der Blick auf die Not anderer relativiert eigene Ansprüche und lässt erkennen, wie viel wir haben und was wir abgeben können um zu helfen.
Der Aufenthalt in der Stadlauer Salesianerpfarre wiederum habe ihm gezeigt, "dass wir mit anderen - auch Orden - zusammenarbeiten müssen. Darauf vergisst man oft, wenn man in der Mehrheitsposition ist".
Als wichtiges Potenzial der Kirche und insbesondere der Orden bezeichnete P. Kleden die Internationalität. "Unserer aus Priestern von 82 Nationen bestehenden Gemeinschaft ist sie ins Blut geschrieben. Jede Niederlassung ist nach Möglichkeit international besetzt, in meiner eigenen Kommunität mit Mitgliedern aus vier Kontinenten", sagte der Steyler Missionar. Sehr bewusst wolle man damit in Zeiten von Globalisierung und Migration ein Zeugnis geben, so herausfordernd diese Lebensform auch in der täglichen Praxis oft sei. Längst kämen die Missionspriester mittlerweile eher nach statt aus Europa, jedes vierte Ordensmitglied stammt aus Indonesien.
Wichtig ist jedoch, dass die ausländischen Priester nicht nur Lückenbüßer sind und somit ein Nachdenken über neue Formen der Seelsorge blockieren oder gar die Beteiligung der Laien hemmt. Unsere Präsenz soll vor Ort etwas Spezielles bringen.
Quelle: kathpress