Ozons "Gelobt sei Gott" bringt kirchlichen Missbrauch ins Kino
Männer, die nach Jahren der Scham und des Schweigens über den als Kind erlittenen Missbrauch durch einen Priester Gerechtigkeit fordern, und ein Kardinal, der die Übergriffe trotz gegenteiliger Behauptung vertuscht - das ist der brisante Inhalt im neuen Film "Gelobt sei Gott" von Francois Ozon. Der französische Regisseur stützt sich dafür auf penible Recherchen zu einem Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Lyon, der die Öffentlichkeit erschüttert und die französische Justiz beschäftigt hat. Der Originaltitel beziehe sich auf eine Bemerkung von Kardinal Philippe Barbarin bei einer Pressekonferenz, dass "Grace à Dieu" ("Gott sei Dank") alle Geschehnisse bereits verjährt seien, erzählte Ozon in einem Interview in der Wochenzeitung "Die Zeit" (25.9.).
Die diesjährige "Berlinale" ehrte das Drama mit dem "Großen Preis der Jury". In Österreich läuft der Streifen 18. Oktober an, der "Thimfilm"-Verleih plant dazu eine Vorab-Präsentation am 15. Oktober um 20 Uhr im Votivkino, bei der "Furche"-Filmkritiker und -Religionsressort-Leiter Otto Friedrich mit dem Wiener Fundamentaltheologen Prof. Wolfgang Treitler diskutieren wird, der als Schüler eines katholischen Gymnasiums selbst zum Opfer eines sexuellen Missbrauchs durch einen Lehrer wurde.
Die unbedachte Bemerkung des Erzbischofs von Lyon erwies sich übrigens als falsch: Aufgrund eines nicht verjährten Übergriffs durch den ihm unterstellten Priester Bernard Preynat wurde Barbarin im März - nach Abschluss der Dreharbeiten - von einem Gericht wegen Nichtanzeige zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt; die Berufung des mittlerweile durch einen vom Papst eingesetzten Administrator an der Spitze der Kirche von Lyon abgelösten Kardinals soll Ende November verhandelt werden.
Gegen den heute 74-jährigen Preynat läuft das staatliche Verfahren noch, der Gerichtsprozess fand noch nicht statt. Kirchlicherseits gilt er bereits als schuldig: Wegen erwiesenem sexuellen Missbrauch von Minderjährigen wurde, wie die Französische Bischofskonferenz nach dem Kirchengerichtsurteil Anfang Juli mitteilte, aus dem Klerikerstand entlassen - die höchstmögliche Strafe für Priester im Kirchenrecht.
Drei Opfer im Mittelpunkt
Der fast dokumentarisch anmutende Film "Gelobt sei Gott" stellt drei Männer in den Mittelpunkt, deren Vita nach dem erlittenen Missbrauch sehr unterschiedlich verlief. Francois Ozon hält sich im Plot so eng an reale Ereignisse wie in keinem seiner Spielfilme zuvor. "Gerade deshalb haben mich die heftigen Reaktionen so sehr erstaunt: Ich zeige doch nur Dinge, die bereits bekannt waren!", sagte er der "Zeit". Eine Dokumentation hätte wohl weniger Verständnis bzw. "die sehr persönliche Identifikation der Zuschauer mit den Figuren" ausgelöst, mutmaßte Ozon.
Mehr als eine Million Menschen hätten den Film in Frankreich gesehen, darunter viele Katholiken.
Ich bin davon überzeugt, dass der Film die Wahrnehmung verändert. Es gibt inzwischen Gemeinden, die ihn für die Priesterausbildung verwenden: damit die Anwärter sehen, welche Folgen Missbrauch für die Opfer hat.
Ozon weiter: "Vielleicht können Filme tatsächlich zumindest einige Dinge in der Gesellschaft in Bewegung bringen."
Die ersten Käufer des Films seien aus katholischen Ländern gekommen, berichtete Ozon in einem weiteren Interview. "Sie wollten den Film, ohne ihn gesehen zu haben. Das brisante Thema allein reichte." Der italienische Verleiher habe sogar sofort eine Vorführung im Vatikan organisiert. Die gezeigten Geschehnisse würden nicht nur Frankreich, sondern die ganze Welt betreffen. Nach dem Eindruck des Regisseurs ist diese Erkenntnis bei den Verantwortlichen in der Kirche angekommen.
Aber den starken Worten folgen leider keine Taten oder zu wenig Taten.
"Kino selten so aktuell"
Nicht nur die "Berlinale", auch die Kritik lobt den Film als sehenswerten Beitrag zu einem brisanten Thema. Viera Pirker, Religionspädagogin an der Uni Wien und Mitglied im "Internationalen Forschungsnetzwerk Religion - Film - Media", merkte in ihrer Kritik auf der theologischen Feuilleton-Website feinschwarz.net an, selten sei Kino so aktuell. Ozon habe einen "hervorragenden, wichtigen und schmerzhaften Film" über fragile Männlichkeit und eine "heillos überforderte Institution" gedreht.
Im deutschen katholischen Fachmedium "Filmdienst" schreibt Kritiker Josef Lederle über den Film:
Der ausufernde Stoff bürdet dem zweieinhalbstündigen Drama eine erhebliche Last auf, mit mehr als einem Dutzend authentischer Figuren, vielen und vielschichtigen Erzählsträngen und Entwicklungen sowie einem ausgedehnten Redeanteil, in den auch noch die verschiedenen Milieus und Bildungsunterschiede eingearbeitet sind.
Doch man staune, "wie souverän Ozon diese Fülle disparater Elemente bändigt und dabei auch noch die Chronologie der Ereignisse wahrt". (Info und Trailer: www.thimfilm.at/filmdetail/gelobt-sei-gott)
Quelle: kathpress