Frauenbewegung sieht "Europa am Scheideweg"
Stigmatisierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind "No-Gos" für Christinnen und Christen. Das betonte die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak in einer Aussendung der Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö) am Mittwoch. Die Debatte um Migration und Flucht in Österreich wie auf europäischer Ebene reduziere sich jedoch gegenwärtig auf den Gedanken des "Schutzes" vor Zuwanderern und Flüchtlingen. "Grund- und Menschenrechte werden durch die aktuelle Migrationspolitik unterminiert, und das führt zu bedenklichen Verschiebungen in der Wertehaltung der Bevölkerung", warnte Polak, Professorin am Institut für Praktische Theologie der Universität Wien, gemeinsam mit der kfbö-Vorsitzenden Veronika Pernsteiner.
Die beiden verwiesen demgegenüber auf den "ungehobenen Schatz" unmissverständlicher Lehrmeinungen der Kirche, wie dem klaren Bekenntnis dazu, Menschen in bedrohten Lebenslagen "aufzunehmen, zu schützen, zu fördern und zu integrieren" - wie Papst Franziskus im Schreiben zum 105. "Welttag des Migranten und des Flüchtlings" (29. September) betont habe.
Kurz vor der Nationalratswahl regten Polak und Pernsteiner dazu an, die Migrations- und Flüchtlingspolitik der wahlwerbenden Parteien vor dem Hintergrund einer an der Würde des Menschen orientierten Migrations- und Flüchtlingstheologie zu prüfen. Laut Polak stehen "mangelnde oder fehlende Maßnahmen zur Bekämpfung von Fluchtursachen - etwa unzureichende Mittel in der Entwicklungszusammenarbeit -, die Verweigerung, sich mit den globalen Folgen des imperialen Lebensstils in Europa auseinanderzusetzen, die Bekämpfung von Armen statt der Bekämpfung von Armut" der Flüchtlings- und Migrationstheologie entgegen.
Die Theologin ortete auch unter Katholikinnen und Katholiken viel "Nicht-Wissen" um diese theologischen Grundlagen, die sie als "Teil des globalen Einsatzes der katholischen Kirche für eine gerechte Welt" bezeichnete. Die kirchlichen Migrations-Aussagen seien auch Rückenstärkung für jene, "die schon bisher ehrenamtlich viel investiert haben in einen menschenwürdigen Umgang mit Migranten und Flüchtlingen, vielfach aber auch frustrierende Erfahrungen machen mussten mit der konkreten Politik", zeigte sich die Beraterin der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz überzeugt.
Aus Sicht der weltkirchlichen Ebene verwies Polak auch auf den Blickwinkel von Ländern, aus denen Menschen abwandern oder flüchten. Dieser komme mindestens genauso zum Tragen wie der Blickwinkel jener, die wegen ihres Reichtums und ihrer Privilegien Zielland von Migration und Flucht sind, betonte die Theologin. So gebe es die "Spaltung" in der Betrachtungsweise des Phänomens von Zuwanderung und Flucht, wie sie auch unter österreichischen Christinnen und Christen wahrnehmbar sei, auf weltkirchlicher Ebene nicht in dieser Schärfe.
Franziskus: konkrete Maßnahmen für Flüchtlinge
Franziskus forderte in dem am 30. April veröffentlichen Schreiben zum diesjährigen "Welttag des Migranten und des Flüchtlings" konkrete Maßnahmen, wie die Schaffung von Möglichkeiten für eine sichere und legale Einreise in Zielländer, die "Gewährung von Visa zu humanitären Zwecken und zur Wiedervereinigung von Familien" oder die Eröffnung von humanitären Korridoren für besonders gefährdete Flüchtlinge.
Auch ältere Dokumente, wie das 2004 vom "Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs" veröffentlichte Instruktion "Erga migrantes caritas Christi", oder das 2017 errichtete Dikasterium der römischen Kurie für den "Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen", zu dem auch die Abteilung für Migranten und Flüchtlinge gehört, würden laut Polak und kfbö in diese Kerbe schlagen.
Quelle: kathpress