Schönborn und Landau für politischen "Pakt gegen Einsamkeit"
Für Kardinal Christoph Schönborn und Caritas-Präsident Michael Landau ist die zunehmende Vereinsamung ein Problem, dem sich Gesellschaft und Politik mit einem "Pakt gegen Einsamkeit" stellen sollen. Mit einem am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Appell wenden sich die Spitzen von Bischofskonferenz und Caritas in der Woche vor der Nationalratswahl an die künftige Bundesregierung und betonen:
Wer auch immer das Land in den nächsten Jahren regiert, sollte die stille Not der Einsamkeit bekämpfen. Vereinsamung ist kein abstraktes Problem, sondern nimmt zu und ist eine schmerzhafte Wirklichkeit im Leben vieler Menschen. Wir sind überzeugt: Wer für ein sinnerfülltes Leben und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land eintritt, muss die Einsamkeit bekämpfen!
In anderen Ländern werde die Bedeutung des Themas bereits erkannt, so Schönborn und Landau. Sie verweisen auf England, wo es seit 2018 einen dafür auch zuständigen Minister gibt. Auch die deutsche Bundesregierung habe das Thema in ihr Koalitionsübereinkommen aufgenommen und die Niederlande hätten bereits einen "Pakt gegen Einsamkeit" geschlossen. Landau:
Einsame Menschen wieder in die Gesellschaft zu holen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die bei jedem von uns beginnt und auch die Politik in die Pflicht nimmt.
Ein Pakt gegen die Einsamkeit solle das Zusammenwirken von Bund, Ländern, Gemeinden, aber auch von Kirchen und Glaubensgemeinschaften sowie von Wirtschaft und Zivilgesellschaft fördern.
Geglücktes Leben braucht Beziehung
"Der christliche Glaube sagt uns, dass Beziehung wesentlich für ein geglücktes Leben ist", betonte Kardinal Schönborn.
Das dichte Netz von Pfarren, Orden und christlichen Gemeinschaften bietet tagtäglich offene Orte, die Beziehung stiften und damit Vereinsamung verhindern. Jedes Pfarrcafé, jeder Besuchsdienst, jede Grätzl-Initiative ist dafür ein hilfreicher Schritt. Wenn wir sensibler werden für einsame Menschen und auf sie mit offenem Herzen zugehen, ist schon viel erreicht.
Eine zunehmende Vereinsamung wird seitens der Caritas beobachtet: "Wir begegnen der Einsamkeit an vielen Orten unserer täglichen Arbeit: in der Pflege, in Sozialberatungsstellen, in Notunterkünften oder pfarrlichen Wärmestuben. Einsamkeit ist dabei häufig Ausdruck und Nebenwirkung von akuter Not und Armut", so Landau. "Einsamkeit macht krank", konstatierte Thomas Wochele-Thoma, ärztlicher Leiter der Caritas.
Studien haben mehrfach gezeigt, dass Einsamkeit das Risiko für chronischen Stress, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Demenz und frühen Tod erhöht.
Landau für Regierungsbeauftragten
Vor diesem Hintergrund plädierte Landau dafür, das Phänomen der Einsamkeit in Österreich wissenschaftlich zu erforschen, das Leid der Betroffenen zu enttabuisieren und zu bekämpfen. "Aus meiner Sicht wäre es überlegenswert, einen Regierungsbeauftragten mit dieser Aufgabe zu befassen", regte der Caritas-Präsident an.
Neben zahlreichen, seit langem etablierten Projekten - wie Wärmestuben, Begegnungscafés oder verschiedene Buddy-Projekte - habe die Caritas nun weitere Initiativen gesetzt, um Antworten auf das Thema zu finden. So sei beim Pilotprojekt "Wohnzimmerkonzerte" geplant, dass freiwillige Musiker einsame Menschen daheim besuchen, die nicht mehr ins Konzert gehen können. Neben solchen neuen Formen von Besuchsdiensten initiiert die Caritas zudem digitale Hilfen wie etwa Social-Media-Gruppen, in denen sich pflegende Angehörige austauschen. Bewohner einiger Caritas-Pflegewohnhäuser würden bereits einfach zu bedienende Tablets testen, über die Bilder und Videos empfangen werden können und die Videotelefonie, assistiert von freiwilligen Helfern, ermöglichen.
Zwei Drittel haben Angst vor Einsamkeit
Laut Caritas lässt sich das Problem bereits konkret fassen. So zeigten Eurostat-Zahlen aus dem Jahr 2015, dass in der Europäischen Union sechs Prozent der Menschen niemanden für ein persönliches Gespräch haben. In Österreich liege der Wert bei immerhin 4,2 Prozent. Eine Befragung aus dem Jahr 2017 komme zu dem Schluss, dass in Österreich 50 Prozent der 60- bis 69-Jährigen fürchten, im Alter zu wenige Freunde und Bekannte zu haben. 14 Prozent der Befragten seien überzeugt, dass sie einsam werden. "Zwei Drittel geben an, Angst vor Einsamkeit zu haben."
Quelle: kathpress