Kirche trauert um KZ-Überlebenden Marko Feingold
Auch in der katholischen Kirche herrscht Betroffenheit und Trauer über den Tod des KZ-Überlebenden Marko Feingold. Kardinal Christoph Schönborn würdigte den im Alter von 106 Jahren verstorbenen langjährigen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg via Twitter als "eine herausragende Gestalt in der österreichischen Gesellschaft". Feingold sei nie müde geworden, "uns ohne Bitterkeit an die Last unserer Geschichte zu erinnern".
Nach den Worten von Ruth Steiner, frühere Generalsekretärin der Katholischen Aktion Österreich und Buchautorin über ihre jüdischen Wurzeln ("Daheim in zwei Religionen - Mein Bekenntnis zum Judentum und zum Christentum", Dom Verlag Wien), gehörte Marko Feingold zu den wenigen KZ-Überlebenden, die "wirklich bereit zur Versöhnung" waren. Zugleich sei ihm das "Nie wieder!" ein Anliegen gewesen, das er einfühlsam, zugänglich und nicht zuletzt auch mit Humor gesegnet nachfolgenden Generationen nahegebracht habe. Gerade bei der Jugend sei er immer auf offene Ohren gestoßen, so Steiner. Die selbst aus einer jüdischen Familie stammende Katholikin, die mit Feingold u.a. im Mauthausen-Komitee zusammenarbeitete, würdigte auch die Verdienste des nicht religiösen Altösterreichers um den jüdisch-christlichen Dialog.
Überlebender mehrerer KZ
Geboren wurde Marko Feingold am 28. Mai 1913 in Banska Bystrica in der heutigen Slowakei. Er wuchs als eines von vier Kindern in Wien auf, wo er eine kaufmännische Lehre machte. Kurz vor der Machtübernahme Dollfuß' wurde er arbeitslos und ging 1933 mit seinem Bruder Ernst nach Italien. Im Februar 1938 kamen sie zurück nach Wien, um ihre Pässe verlängern zu lassen. Doch sie vertrödelten die Zeit - bis es zu spät war. Im März übernahmen die Nationalsozialisten die Macht. Die Brüder konnten ohne Pass nicht mehr zurück nach Italien. Sie wurden verhaftet, flohen nach Prag, wo sie eine Chance zur Flucht nach England ungenutzt ließen. Im Mai 1939 wurden sie erneut festgenommen und nach gut einem Jahr Gefängnis ins KZ Auschwitz gebracht.
In seinen Lebenserinnerungen "Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh" schildert Feingold eindrücklich sein Martyrium im KZ - Erniedrigungen, Gewalt, Krankheiten, Hunger. Nach zweieinhalb Monaten kam er mit einem Transport für arbeitsfähige Häftlinge ins KZ Neuengamme in Deutschland, weitere Schreckensstationen waren Dachau und Buchenwald, wo er bis zur Befreiung interniert war. Feingolds Geschwister kamen allesamt ums Leben. Durch Zufall ließ er sich 1945 in Salzburg nieder, wo er seither wohnte.
Später kritisierte er oft, dass sich Österreich nie ehrlich seiner NS-Vergangenheit gestellt habe. Noch immer glaubten viele an den Mythos vom ersten überfallenen Land. Es fehle an Aufklärung, auch der Antisemitismus habe nach 1945 wieder zugenommen. Zu spät für eine Aufarbeitung sei es aber nie.
Feingold selbst trug dazu bei durch seine ausgedehnte Vortragstätigkeit, insbesondere als Zeitzeuge in Schulen und Pfarrgemeinden. Seit 1979 war er Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg und betreute - obwohl selbst nicht religiös - auch die Salzburger Synagoge.
Neben seinen zahlreichen Auszeichnungen durch die Republik Österreich und das Land Salzburg wurde Feingold 2010 mit dem Kurt-Schubert-Gedächtnispreis und erst im Vorjahr mit dem Toleranzpreis der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste geehrt.
Erzbischof Lackner "zutiefst erschüttert"
Die Nachricht vom Tod Marko Feingolds "hat mich zutiefst erschüttert": Mit diesen Worten hat der Salzburger Erzbischof Franz Lackner am Freitag auf das Ableben des Holocaust-Überlebenden reagiert. Er habe den Verstorbenen bereits an seinem ersten Tag in Salzburg kennen und schätzen gelernt und ihn seither immer wieder getroffen.
Feingold habe ausgezeichnet, dass er trotz seines Lebens- und Leidensschicksals keine Wut und keine Ressentiments zeigte, so Lackner: "Im Gegenteil: Er war ein versöhnlicher Mensch, der immer wieder den Dialog gesucht hat."
Marko Feingolds Leben sei insgesamt ein Zeugnis des Verbindenden gewesen. Immer wieder habe er auf das Gemeinsame der Religionen hingewiesen, erinnerte der Erzbischof. Und weiter wörtlich: "Er hatte eine große Weite, eine Tiefensicht, was Religiös-Sein heißt; nämlich etwas, das verbindend ist, das nicht ausgrenzt, das durchaus je eigene Konturen haben kann, aber das auch einen gemeinsamen Auftrag hat: den Frieden." Marko Feingolds Stimme werde sehr fehlen, "in unserer Diözese und in unserem ganzen Land", schloss Lackner.
Quelle: kathpress