"Es gibt Dinge, die sind wichtiger und größer als Angst"
Wenn Sr. Brygida Maniurka heute durch die Straßen von Aleppo geht, weiß sie sehr genau, wo sie sich vor nicht allzu langer Zeit noch vor Granaten und Heckenschützen in Acht nehmen musste. Doch Gefahren waren für die Ordensfrau aus Polen noch nie ein Grund zum Aufgeben. Seit mehr als 35 Jahren lebt die Franziskanerin im Nahen Osten, allein 25 Jahre davon in Syrien. Das Kloster der Franziskanerinnen steht mitten in Aleppo. Brygida und ihre vier Mitschwestern organisieren Lebensmittel und Medikamente für die notleidende Bevölkerung und sie beherbergen in ihrem Kloster kriegsvertriebene Flüchtlinge.
Jeden Winter organisieren sie warme Kleidung und Heizmaterial für die Frierenden, im Sommer gibt es für die Kinder von Aleppo Ferienlager. Viele Kinder konnten wegen des Krieges jahrelang keine Schule besuchen. Für diese gibt es von den Ordensfrauen Nachhilfe. 25 muslimische Studentinnen haben im Kloster Unterkunft gefunden und die Schwestern helfen auch kriegstraumatisierten Frauen. Die ICO unterstützt seit Jahren Sr. Brygida und ihre Mitstreiterinnen.
Sr. Brygida teilte das Los der Menschen, die furchtbar unter dem Krieg litten. Mehrere Jahre war Aleppo zwischen der syrischen Armee und "Rebellen" hart umkämpft, mit unzähligen Toten, Verwundeten, Vertriebenen. Die Zivilbevölkerung litt unvorstellbar. Oft wurden Wasser und Lebensmittel knapp und es gab keinen Strom. Überall schlugen Granaten ein und niemand wusste, wen es als Nächsten treffen wird.
"Welle der Solidarität"
Ob sie denn keine Angst hatte und hat? "Natürlich bin ich nicht ohne Angst hier", sagt sie: "Aber es gibt Dinge, die wichtiger und größer sind als Angst." Im Krieg habe es eine "Welle der Solidarität" gegeben, erzählt sie. Jeder habe jedem geholfen, ganz gleich ob Christ oder Muslim. Wenn die Menschen sich um 4 Uhr früh bereits um Brot angestellt haben, dann hätten sie auch für die gebrechlichen Nachbarn immer etwas mitgenommen. Und wenn wieder irgendwo eine Granate einschlug, dann seien auch alle zusammengekommen und hätten bei der Bergung der Verletzten und Toten geholfen.
Viele Menschen in Aleppo leben in bitterem Elend. Die Franziskanerinnen wollen in dieser Situation mit kleinen Wirtschaftsprojekten Zeichen der Hoffnung setzen. Sr. Brygida erzählt von einem jungem Mann mit Konditorausbildung. Er bekam von den Schwestern etwas Geld, damit er einen kleinen Laden eröffnen konnte. In dem arbeitet er nun gemeinsam mit seiner Frau. Die beiden können davon leben. Solche Geschichten gibt es viele. Aber leider auch auch viel zu wenige. Denn die Not ist unermesslich groß.
In der Stadt wächst zudem die Angst vor einem zunehmenden islamistischen Extremismus. Aber es gibt auch viele Muslime, die sich für ein gutes Zusammenleben mit den Christen aussprechen, betont Sr. Brygida. Und sie denkt nicht daran, in ihrem Einsatz auch nur ein klein wenig nachzulassen.
Die Initiative Christlicher Orient (ICO) wurde vor 30 Jahren vom Linzer Liturgie-Professor Hans Hollerweger gegründet - ursprünglich zur Unterstützung des Tur Abdin, der letzten Christen-Enklave in der Südost-Türkei. Mittlerweile unterstützt die ICO Christen in den meisten Ländern des Orients, allein 2018 wurden 660.000 Euro für Projekte in Syrien, im Irak, in Jordanien, Libanon und Palästina aufgewendet. (Infos: www.christlicher-orient.at)
Quelle: ICO