Sant'Egidio-Generalsekretär: Kirche soll Arme in die Mitte nehmen
Christen dürfen an Armut nicht vorbeigehen und sollen bewusst Freundschaft mit den Armen schließen: Das hat der Italiener Cesare Zucconi, Generalsekretär der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio, gegenüber dem Vorarlberger Kirchenblatt (19. September) gefordert. Zucconi ist einer der Hauptreferenten beim Feldkircher Diözesanforum, das am 11. und 12. Oktober in Dornbirn-St. Martin stattfindet. Im Vorab-Interview legte er dar, wie die Kirche "prophetisch" wirken könne, indem sie Arme in die Mitte ihres Lebens stellt.
Die Freundschaft mit Armen gehört für Sant'Egidio zu den Leitworten. Der Generalsekretär:
In der Tat macht es einen großen Unterschied, ob ich über arme Menschen rede, oder ob ich ihnen persönlich begegne und eine Beziehung zu ihnen aufbaue.
Bewohner der reicheren Länder des Westens seien da besonders herausgefordert, sei es doch "kein Verdienst, sondern eine Verantwortung", im Wohlstand geboren zu sein. Niemand sei zu alt oder zu jung, um anderen zu helfen.
Speziell die Pfarrgemeinden sollten "hinausgehen zu den Menschen und Türen und Herzen öffnen", verwies Zucconi auf entsprechende Forderungen von Papst Franziskus. Arme Menschen sollten am Gemeindeleben beteiligt und Freundschaften mit ihnen aufgebaut werden. Wo dies gelinge, bleibe die Wirkung nicht aus: "Überall dort, wo kleine Schritte in diese Richtung getan werden, erlebe ich, dass die Gemeinschaft in einer Pfarre vertieft wird und sie dadurch auch anziehend wirkt für andere", so der Sant'Egidio-Vertreter über seine bisherigen Erfahrungen.
Wer sich für Arme einsetze, ziehe aus diesen Begegnungen stets Gewinn:
Die Armen sind für uns nicht nur eine Schule des Lebens und des Glaubens, sondern auch eine Befreiung aus dem ständigen Kreisen um uns selbst. Die Armen dürften deshalb nicht nur Thema des Caritas-Kreises sein, sie betreffen vielmehr die ganze Pfarre.
Der Einsamkeit entgegenwirken
Aktuell sehe er als zweite Herausforderung neben der Armut und Ungleichheit auch die Einsamkeit, erklärte Zucconi.
Schon am Anfang der Bibel steht: 'Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.' Und dennoch sind wir im Grunde eine Gesellschaft von Einsamen. Sowohl alte als auch junge Menschen sind davon betroffen. In der Atmosphäre dieser Einsamkeit wächst die Angst vor den anderen, Fremden. Das 'Wir' ist nicht mehr populär.
Auch die kirchlichen Gemeinden seien oft eine "Summe von Einzelnen, aber kein Wir", wobei er gerade dies als "große Aufgabe der Kirche" sähe, wie Zucconi darlegte:
Missionarisch auf andere zuzugehen und ein 'Wir' zu bezeugen, in dem alle Menschen Platz haben können.
Quelle: kathpress