Nuntius in Syrien: Krieg muss in New York beendet werden
Der Schlüssel für eine Friedenslösung für Syrien liegt nicht im Land selbst, sondern bei der internationalen Staatengemeinschaft. Das betont der Apostolische Nuntius für Syrien, Kardinal Mario Zenari. Letztlich handle es sich bei dem Konflikt um einen Stellvertreterkrieg. "In Syrien stehen sich die fünf größten Armeen der Welt gegenüber. Angefangen von Russland und den USA", betonte der Kardinal gegenüber heimischen Journalisten in seiner Residenz in Damaskus. Die heimischen Kirchenzeitungen berichten darüber in ihren aktuellen Ausgaben. Der Krieg müsse in New York im Sicherheitsrat beendet werden, zeigte sich demnach der Nuntius überzeugt.
Der Vatikan-Diplomat ist seit dem Frühjahr 2009 im Land. Im Unterschied zu den Botschaftern der westlichen Staaten hat er Damaskus nie verlassen, auch nicht als eine Reihe von Stadtteilen zum Kampfgebiet wurden und der Krieg bis an das Botschaftsviertel rückte. Sein Mut hat ihm großen Respekt eingebracht - besonders bei den einfachen Menschen. Aber auch im Vatikan, weshalb ihn Papst Franziskus 2016 in den Kardinalsrang erhoben hat - was für amtierende Nuntien sehr ungewöhnlich ist.
Zenari verwies im Journalisten-Gespräch auf neueste statistischen Daten, die die UNO über Syrien zusammengetragen hat: 83 Prozent der Bevölkerung Syriens leben demnach unter der Armutsgrenze, 54 Prozent der Spitäler sind zerstört oder beeinträchtigt und zwei Drittel der Ärzte sind weg. "Wissen Sie, was es bedeutet, wenn man hier krank wird?"
Seit einem Jahr fallen in weiten Teilen Syriens keine Bomben mehr. Die darniederliegende Wirtschaft des Landes hat für den Vatikan-Diplomaten aber dieselbe Wirkung wie Bomben. Zwölf Millionen Menschen bräuchten Hilfe. Zenari:
Man kann mit der Hilfe nicht bis nach einem Friedensschluss warten. Jetzt muss etwas getan werden.
Er schätze die Projekte der Kirchen und Hilfsorganisationen, er selbst hat die Initiative "offene Spitäler" ins Leben gerufen. Er denke aber weiter: "Die Sanktionen müssen weg. Sie sind zutiefst unfair". So macht es das Benzinembargo unmöglich, dass sich Menschen Dieselöl zum Heizen leisten können. "Im Vorjahr sind Leute deswegen erfroren. Ich bin privilegiert, aber die einfachen Menschen sind es nicht", so Kardinal Zenari. Er forderte Wirtschaftshilfe im großen Stil zum Wiederaufbau.
Bei der Unterstützung dürfe nicht eine Gruppe bevorzugt werden.
Ganz Syrien leidet. Die Christen leiden wie alle anderen Menschen auch. Das Leiden ist universal.
Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Minderheiten wie die Christen höheren Risiken ausgesetzt sind. Das dürfe man natürlich in Betracht ziehen. Und er machte auf einen vielfach übersehenen Aspekt der Not aufmerksam:
Der Konflikt hat eine weibliche Qualität. Wir müssen an die unzähligen Witwen denken, die allein oft bis zu neun Kinder durchbringen müssen.
Syrien im Fokus von Papst Franziskus
Der Großteil des Landes mit den Städten Damaskus, Homs und Aleppo ist wieder unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Der Krieg konzentriert sich auf die Provinz Idlib im Nordwesten des Landes. Dort wird aber mit besonderer Brutalität gekämpft. Papst Franziskus ließ durch eine Delegation, unter ihnen auch Nuntius Zenari, einen Brief an Präsident Baschar al-Assad überbringen. Der Brief hatte humanitären Inhalt, so der Nuntius. Es gehe in Idlib um drei Millionen Menschen, davon eine Million Kinder. "Beide Seiten - Regierung und Rebellen - müssen das internationale humanitäre Recht anerkennen", mahnte der Kardinal ein.
Von keinem anderen Land der Welt spreche der Papst so oft wie von Syrien, beinahe alle drei Wochen erwähnt er es, so der Nuntius. Dem Papst liege das Schicksal der Menschen in Syrien besonders am Herzen.
Die Pressereise nach Syrien war eine Kooperation von Kathpress, der "Initiative Christlicher Orient" (ICO) und der "Korbgemeinschaft".
Quelle: kathpress