Kinderbuch-Expertin Lexe unterstreicht Bedeutung von Märchen
Geschichten zu erzählen ist ein "anthropologisches Grundbedürfnis", und auch Kinder sollen vor die "beantwortenswerte" Frage gestellt werden: "Was sagt mir das Leben anderer über mein Leben?" Darauf hat Heidi Lexe, die Leiterin der Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur der Erzdiözese Wien ("STUBE"), in einem Interview für die aktuelle Ausgabe der Wiener Stadtzeitung "Falter" hingewiesen. Dabei brach sie auch eine Lanze für die manchmal als unzumutbar grausam eingestuften Märchen: Diese würden "menschliche Urerfahrungen und Ängste" formulieren und dadurch, dass sie "immer gut ausgehen", dazu ermutigen, sich in der Welt zu bewähren und dem Bösen zu stellen. "Diese Grunderfahrungen sind für Kinder essenziell", so Lexe.
Neben solchen archetypischen Aspekten biete die Kinder- und Jugendliteratur auch viele aktuelle Themen und sei "starken thematischen Moden" unterworfen, erklärte die studierte Germanistin und Universitätslektorin. Nach 2015 seien viele Fluchtgeschichten auf den Markt gekommen, auch die antirassistische "#BlackLivesMatter"-Bewegung habe ihren Niederschlag gefunden. "Jetzt warten alle auf die Greta-Bücher", sagte Lexe im Hinblick auf die vom schwedischen Teenager Greta Thunberg initiierte "#fridaysforfuture"-Klimaschutzbewegung.
Bücher ermöglichen eine Einübung auf mehreren Ebenen der Lebenswirklichkeit, wies die Kinderbuch-Expertin hin. In einem geschützten Raum könne man Dinge kennenlernen, die für das eigene Leben und die Entscheidungen, für Orientierungs- und Informationsprozesse wichtig sein könnten. "Und es geht auch um eine Einübung in die literarische Welt." Insofern sollten Kinder frühzeitig, lange vor dem Schuleintritt, mit Büchern vertraut werden. "Wesentlich ist das Lesen vor dem Lesen", betonte Lexe. "Je mehr einem Kind vorgelesen wird, desto besser."
Der Vorteil gegenüber dem heute allgegenwärtigen digitalen Medienalltag liegt laut der "STUBE"-Leiterin im "Reiz am verlangsamten Visuellen". Ein Buch könne zugemacht, es könne zurückgeblättert werden, würdigte Lexe die Haptik von Büchern. Bei kleinen Kindern spiele auch die körperliche Nähe zu den Vorlesenden eine Rolle: "Vorlesen ist ein soziales Erlebnis." Freilich müssten Eltern auch selbst Vorbilder beim Gebrauch von Büchern sein: "Für die Kinder macht es einen Unterschied, ob das Buch oder das Handy am Nachtkästchen liegt." Und, so Lexe:
Wird in der Freizeit oder im Urlaub gelesen? Da müssen sich die Eltern selbst an der Nase nehmen.
Quelle: kathpress