Bischof Kräutler: In Amazonien "retten, was noch zu retten ist"
Für die Indigenen in der Amazonasregion ist der Regenwald Lebensraum, während von der brasilianischen Politik unterstützte Investoren darin ein Geschäft mit der Plünderung von Bodenschätzen und Naturreichtümern sehen: An diesen Grundkonflikt hat der Vorarlberg stammende Amazonas-Bischof Erwin Kräutler erinnert. "Für die Indios ist dieses Gebiet das Land ihres Überlebens, das Land ihrer Mythen, ihrer Riten, das Land für das Leben", so der emeritierte Bischof der brasilianischen Diözese Xingu in einem Video auf dem Online-Portal der Schweizer "Neuen Zürcher Zeitung". Regierung und "neokapitalistische Gesellschaft" sähen das Land hingegen nur unter dem Aspekt "Kaufen und Verkaufen", so der Kräutler:
Es geht also um Land zum Leben oder Land als Ware. Da prallen die Dinge aufeinander.
Der 80-jährige Kräutler, der von 1981 bis 2015 Diözesanbischof der Prälatur Altamira-Xingu war, ist ein auch international gefragter Experte für Menschenrechte, Umweltschutz und Indio-Rechte. Seit Jahrzehnten setzt er sich in Brasilien u.a. für die Verankerung der Rechte der Ureinwohner und die sogenannte "Demarkierung" (Abgrenzung) der Indiogebiete ein, um diese vor Ausbeutung zu schützen.
"Wir sind dafür, dass ihre Gebiete abgegrenzt werden, denn damit retten wir einen Teil von Amazonien", hielt Kräutler auch im aktuellen NZZ-Video fest. Mit Nationalparks und den indigenen Gebieten könne man in Amazonien "retten, was noch zu retten ist".
Erst vor wenigen Wochen hatte der Bischof in einem "Kathpress"-Interview zu seinem 80. Geburtstag dem amtierenden brasilianischen Staatspräsidenten Jair Bolsonaro eine "anti-indigene Einstellung" vorgeworfen. Hintergrund waren Bolsonaros Ankündigungen, Umweltschutzgebiete sowie indigene Reservate für die wirtschaftliche Nutzung durch multinationale Konzerne zu öffnen.
"Wir werden mit allen Mitteln für Amazonien und die Indios eintreten", betonte Bischof Kräutler und verwies auch auf die anstehende Amazonien-Synode, die sich mit dieser Thematik befassen werde: "Es geht um die Verteidigung Amazoniens gegen skrupellose Ausbeutung und Zerstörung."
Im Vatikan tagt im Oktober eine Sondersynode zu Amazonien. Bei dem Bischofstreffen vom 6. bis 27. Oktober soll es neben Theologie und Seelsorge auch um Umweltschutz sowie um die Belange der Indigenen und um Menschenrechte gehen. Weite Passagen des im Juni vom Vatikan veröffentlichten Vorbereitungsdokuments sind Umwelt- und Schöpfungsthemen gewidmet und beschreiben die Amazonasregion als stark gefährdet. Das Leben in Amazonien sei "durch Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt sowie durch die systematische Verletzung der grundlegenden Menschenrechte der amazonischen Bevölkerung bedroht", heißt es unter anderem.
Kardinal: Amazonien droht Zerstörung
Unterdessen sorgen die anhaltenden, riesigen Waldbrände in Amazonien weiter weltweit für Besorgnis. Der brasilianische Kardinal Claudio Hummes forderte angesichts der Brände einen dringenden Wandel der Entwicklungsmodelle. Bisher herrschten in Amazonien wirtschaftliche und private Interessen vor, die einer "Neuauflage des Kolonialismus" gleichkämen, schrieb er in der vatikanischen Zeitung "Osservatore Romano". Wenn sich daran nichts ändere, "wird die ganze Region zerstört werden, mit all den verheerenden Folgen, die schon absehbar sind", so Hummes.
Auch das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, Bartholomaios I., beklagte die Lage am Amazonas. Die jetzigen Brände könnten Auswirkungen auf Generationen von Menschen haben. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel hat wie Papst Franziskus immer wieder ökologische Fragen thematisiert.
Ringen um "Amazon Fund"
Die Waldbrände in Amazonien sind die schwersten seit Jahren. Neben Brasilien spitzte sich auch in Bolivien die Situation zu. Seit dem Wochenende treffen in der Amazonasregion brasilianische Militäreinheiten zur Bekämpfung der Brandherde ein. Neben dem Einsatz der insgesamt rund 44.000 Soldaten fordern die Gouverneure der Region eine Wiederaufnahme der Aktivitäten des von Deutschland und Norwegen finanzierten "Amazon Fund". Dieser bezahlt Projekte zum Waldschutz sowie zur Umweltkontrolle.
Brasiliens Staatspräsident Bolsonaro blockiert seit Amtsantritt im Jänner die Aktivitäten des Fonds. Unter anderem will Bolsonaro die Teilnahme von Umweltschutzorganisationen bei der Projektausführung stoppen. Der Fonds finanziert auch die Kontrollen der staatlichen Umweltbehörde Ibama. Bolsonaro hatte das staatliche Budget für Ibama gekürzt, zudem spricht er sich gegen die "Bußgeld-Industrie" der Behörde aus.
Seit seinem Amtsantritt im Jänner stellte Ibama 23 Prozent weniger Bußgelder aus als im Vorjahr, berichtete die deutsche Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) unter Berufung auf die Zeitung "Folha de S. Paulo" (Montag). Allerdings werden demnach überhaupt nur fünf Prozent aller verhängten Bußgelder bezahlt; oft laufen die Prozesse jahrelang. So wurden 2017 lediglich 0,3 Prozent der damals verhängten Strafen beglichen.
Die Gouverneure wollen nun auf eigene Faust mit den ausländischen Geldgebern verhandeln. Waldschutz in seinem Teilstaat sei ohne Gelder aus dem Ausland nicht möglich, sagte der Gouverneur des Teilstaates Amazonas, Wilson Miranda Lima, der "Folha de S. Paulo". Die Landwirte fühlten sich durch Bolsonaros Kommentare zum Umweltschutz ermutigt, gegen Umweltgesetze zu verstoßen, so Lima. Die Zahl der Brände am Amazonas seien gegenüber 2018 um 146 Prozent gestiegen.
Quelle: kathpress