Wien: Vielstimmige Absage an Gewalt im Namen Gottes
Zu einem breiten Schulterschluss und einer vielstimmigen Absage an Gewalt im Namen Gottes hat der erste UNO-Gedenktag für Opfer religiös motivierter Gewalt (22. August) am Mittwochabend in Wien geführt. Vertreter von 16 Kirchen und Religionsgemeinschaften waren auf Einladung der ÖVP-Nationalratsabgeordneten und stellvertretenden Vorsitzenden des Parlamentsausschusses für Menschenrechte, Gudrun Kugler, am Gelände des Campus der Religionen in der Seestadt Aspern anwesend. Vier Repräsentanten - darunter der für interreligiösen Dialog zuständige katholische Wiener Weihbischof Franz Scharl - ergriffen stellvertretend für die anderen Glaubensgemeinschaften das Wort und wandten sich gegen Gewalt durch Gläubige, aber auch an Gläubigen.
Anwesend in der Seestadt waren Vertreter der katholischen Kirche, der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), der Buddhistischen Religionsgesellschaft, der Alevitischen Glaubensgemeinschaft, der evangelisch-lutherischen Kirche, der Freikirchen, der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien, der Israelitischen Religionsgesellschaft, der Armenisch-Apostolischen Kirche, der Bahá'í-Gemeinde, der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten, der antiochenisch-orthodoxen Erzdiözese, der serbisch-orthodoxen Kirche, der koptisch-orthodoxen Kirche, der russisch-orthodoxen Kirche und der Sikh-Glaubensgemeinschaft. Sie alle hießen gemeinsam die neue UN-Resolution zum Gedenktag gegen religiös motivierte Gewalt willkommen.
Abgeordnete Gudrun Kugler sagte in ihrer Begrüßung, der Gedenktag sei "ein Meilenstein für Religionsfreiheit in der ganzen Welt". Er sei keineswegs nur symbolisch zu verstehen, sondern enthalte "einen klaren Auftrag an die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, religiös motivierte Gewalt zu beseitigen. Dazu wollen wir auch in Österreich beitragen." Kugler hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode mehrfach für die Rechte religiöser Minderheiten eingesetzt, unter anderem durch einen Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, sich international gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten - insbesondere christlicher Minderheiten - einzusetzen. Kugler betonte, dass die Gewalt gegen Gläubige unterschiedlicher Glaubensrichtungen dramatisch gestiegen sei, wobei Christen weltweit am stärksten verfolgt würden.
Die Veranstalterin wandte sich aber auch gegen einen Pauschalverdacht gegen Religion an sich: "Wir wollen den positiven Beitrag der Religionsgemeinschaften für die Gesellschaft unterstreichen", Religion sei eine positive Kraft und und Spiritualität etwas, "das Menschen brauchen". Den anwesenden Religionsvertretern bot Kugler Zusammenarbeit an, die Politik solle Partnerin der Religion sein.
Die Parlamentarierin verwies auch auf die Unterstützung ihrer Wiener Initiative durch Jan Figel, den EU-Sonderbeauftragten für Religionsfreiheit außerhalb der Union, und durch die Ethikerin Prof. Ingeborg Gabriel, Sonderbeauftragte der OSZE im Kampf gegen Rassismus, Xenophobie und Diskriminierung. Beide formulierten Grußbotschaften für das Treffen in der Seestadt.
"Frieden stiften: Hausaufgabe für uns alle"
Weihbischof Scharl betonte in seiner Rede an seine - wie er seine Zuhörer nannte - "Schwestern und Brüder" die Dringlichkeit des Anliegens: "Frieden stiften: Das ist eine Hausaufgabe für uns alle!" Gleiches gelte für die Bewahrung der Schöpfung, Gutes zu sagen und zu tun, Gerechtigkeit zu üben oder die Würde anderer zu achten. Damit gelte es "hier, heute und jetzt" zu beginnen, so Scharl.
"Immer wieder wird versucht, unter uns rassistische Theorien und Ideologien wiederzubeleben und durchsetzen zu wollen", wies IGGÖ-Vizepräsident Adis Candic in seinem Statement hin. Glaubensunterschiede würden für gegenseitige Feindseligkeiten und Anschuldigungen genutzt, dabei seien diese doch vergleichbar mit der bereichernden Artenvielfalt in der Natur. Candic erteilte jeglicher Islamophobie ebenso eine Absage wie auch dem Antisemitismus; im Zusammenhang mit dem Holocaust sagte der Muslime-Vertreter: "Die Vergangenheit können wir nicht ändern, aber wir können aus ihr lernen" und erzieherisch auf nachfolgende Generationen einwirken.
Raimund Fastenbauer, Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, war sich mit seinem muslimischen Vorredner einig, dass es traurig sei, überhaupt Gedenktage für Opfer religiöser Gewalt einrichten zu müssen. Auch die Mitgliedsstaaten im UN-Menschenrechtsbeirat hielten sich oft nicht an ihre eigenen Vorgaben. Das Judentum verzichte auf Mission Andersgläubiger. Dieses Prinzip des gegenseitigen Respekts hätten Juden nicht exklusiv, sagte Fastenbauer, "aber wir geben das gerne weiter".
Schlimmste Christenverfolgung aller Zeiten
Obwohl das Menschenrecht der Religionsfreiheit seit Jahrzehnten verankert ist, nehme religiöse Gewalt derzeit erschreckende Ausmaße an, erklärte Siham Islek als Vertreterin der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien. Gerade Christen erlebten derzeit die größte Verfolgung aller Zeiten, 200 Millionen Gläubige seien betroffen von Diskriminierung in der Schule, der Ausbildung, im Beruf oder im Alltag. Alle fünf Minuten wird statistisch gesehen ein Christ ermordet, so Islek, gleichzeitig sei diese Tatsache ein oft ausgeblendetes Tabuthema. Sie hoffe, dass der UN-Gedenktag das Bewusstsein für Respekt vor Andersgläubigen stärkt.
In der im vergangenen Frühjahr von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Resolution zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer von Gewalthandlungen aufgrund der Religion oder der Weltanschauung (A/RES/73/296) wird der 22. August als offizieller Gedenktag ausgerufen und die Mitgliedsstaaten dazu eingeladen, diesen Tag auf angemessene Weise zu begehen.
Quelle: kathpress