Österreichs Vorteil bei Auslandshilfe: "Keine Kolonialgeschichte"
Der Jahrzehnte langen Unterdotierung der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zum Trotz genießt Österreich im Bereich der internationalen Hilfe "einen sehr guten Ruf". Das begründete der scheidende Caritas-Auslandshilfe-Chef Christoph Schweifer im Interview in der "Kleinen Zeitung" (Freitag) mit der hohen Qualität der Arbeit, dem Engagement in der UNO und der Tatsache, dass Österreich "keine imperialen Interessen" habe - auch im historischen Kontext. "Wir haben keine Kolonialgeschichte", wies Schweifer hin.
Wenn wir da sind, dann nur, weil wir ehrliche Makler für das Interesse der Menschen vor Ort sind.
Christoph Schweifer verlässt Ende August nach 25 Jahren auf eigenen Wunsch die Caritas. Sein Nachfolger als Generalsekretär für Internationale Programme in der Caritas Österreich wird der frühere UNICEF-Mitarbeiter Andreas Knapp.
In den 25 Jahren seiner Tätigkeit bei der größten Hilfsorganisation Österreichs habe sich trotz weiterhin bestehender Probleme global gesehen vieles zum Besseren verändert, blickte Schweifer auf "eine Erfolgsgeschichte" zurück. Anfang der 1990er-Jahre hätten noch 1,2 Milliarden Menschen gehungert, heute trotz hohem Bevölkerungswachstum 820 Millionen. Auch seien noch nie so viele Kinder in die Schule gegangen, die Kindersterblichkeit habe sich deutlich reduziert.
Eine Folge des gestiegenen Bildungsniveaus nach den Worten Schweifers: Es gebe in nahezu allen Ländern einheimische Fachleute. "Menschen für eine Expertise aus Europa einfliegen zu lassen, ist heute die absolute Ausnahme." Heute herrsche Zusammenarbeit auf Augenhöhe vor, während vor 25 Jahren noch von "beispielhaft helfen" die Rede gewesen sei: "Aus guten Projekten werden andere lernen und dann wird sich daraus etwas entwickeln", erläuterte der EZA-Experte die damalige Sichtweise. "Das hat sich geändert."
Klimakrise überall zu spüren
Es sei allerdings beunruhigend, dass in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der hungernden Menschen erstmals seit Jahren wieder angestiegen ist. Das hat nach den Worten Schweifers viel mit der Klimakrise zu tun, die mittlerweile auf allen Kontinenten eine Rolle spiele. In Nepal sorgten verschobene Regenzeiten dafür, dass Kleinbauern von ihren bisherigen Anbauweise abrücken müssen, in Nordkenia gebe es statt einer großen Dürren pro Generation nun alle fünf bis sechs Jahre eine Katastrophe. "Die Auswirkungen des Klimawandels sind weltweit zu spüren und für die Kleinbauern ist die Klimakrise eine tödliche Bedrohung", warnte Schweifer.
In Österreich und anderswo steige - ausgelöst durch die Migrationsbewegungen und die Klimakrise - das Bewusstsein der Menschen, "dass wir voneinander abhängig sind und dass es Auswirkungen hat, wenn es Menschen anderswo schlecht geht". Dieses Bewusstsein habe sich aber noch nicht im Handeln der politisch Verantwortlichen niedergeschlagen, bedauerte der Caritas-Auslandshilfe-Chef. Der zu geringe Anteil der Entwicklungshilfe am Staatshaushalt sei "schon immer problematisch" gewesen, "egal wie die Regierung zusammengesetzt war".
Es sei "nie gelungen - dies ist vielleicht ein Resümee der 25 Jahre -, eine Bundesregierung davon zu überzeugen, dass es auch im österreichischen Interesse ist, wenn es über mehr Engagement in Afrika und Asien auch mehr Sicherheit und Stabilität in der Welt gibt", sagte Schweifer. Seine Überzeugung: Finanzierung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sei auch ein Investment in die Stabilität Europas.
Die Caritas-Auslandshilfe betreibt 513 Projekte in 55 Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und den ärmsten Staaten Europas und leistet sowohl rasche Nothilfe als auch langfristige Existenzsicherung.
Quelle: kathpress