Muslimin schreibt auf katholischem Blog gegen Antisemitismus
Dass sich eine junge Muslimin auf einem katholischen Blog-Portal gegen Antisemitismus wendet, ist bemerkenswert. Bemerkenswert ist aber vor allem, was Canan Yasar als Bundesvorsitzende der Muslimischen Jugend (MJÖ) inhaltlich zu diesem Thema zu sagen hat: Ihrer Organisation war es wichtig zu betonen, "dass gerade wir MuslimInnen als marginalisierte Gruppe gegen jede Art der Menschenfeindlichkeit auftreten und uns für die Aufrechterhaltung der Menschenrechte eines jeden Menschen einsetzen müssen". Auf der von der Katholischen Sozialakademie Österreichs betriebenen Internetseite https://blog.ksoe.at berichtete Yasar am Donnerstag von einem MJÖ-Projekt zur Auseinandersetzung mit Antisemitismus, das in eine Solidaritätsaktion für den Schutz von Bildern mit Holocaustüberlebenden mündete.
Zur Erinnerung: Bis 31. Mai war die NS-Opfern gewidmete Fotoausstellung "Gegen das Vergessen" auf der Wiener Ringstraße zu sehen. Nachdem die gezeigten Porträts Holocaustüberlebender mehrmals beschädigt wurden, bildete sich eine breite zivilgesellschaftiche Allianz, die die Bilder unter dem Motto "Wir passen auf!" Tag und Nacht bewachte. Dazu aufgerufen hatten u.a. die Muslimische Jugend und die "youngCaritas". Die - damit unterbundenen - Gewaltakte zeigten, "dass Antisemitismus kein Phänomen der Vergangenheit darstellt, sondern bis heute ein reales Problem", wies Canan Yasar hin.
Judenfeindlichkeit habe in Österreich eine lange Geschichte, weder die jüdische Gemeinde selbst werde es schaffen, Antisemitismus allein zu bekämpfen, noch die muslimische. "Vielmehr müssen wir uns gesamtgesellschaftlich damit auseinandersetzen und gemeinsam daran arbeiten, dass Antisemitismus keinen Platz in unserer Gesellschaft findet", betonte die MJÖ-Vorsitzende, die als Lehrerin an einer Wiener Volksschule unterrichtet.
Zugleich wandte sie sich gegen die zuletzt häufig feststellbare Strategie, die islamische Community pauschal als Verantwortliche oder Verursacherin des gegenwärtigen Antisemitismus darzustellen, während antisemitische "Einzelfälle" regelmäßig unter den Teppich gekehrt würden. Yasar wörtlich: "Den Versuch, Antisemitismus auf andere Gruppen zu delegieren, gleichzeitig über den Anstieg des Antisemitismus in der gesellschaftlichen Mitte sowie in den rechtsextremen Gruppen zu schweigen, konnten wir nicht einfach so hinnehmen." Es sei zwar nicht zu leugnen, dass es auch unter Muslimen Antisemitismus gebe. Jedoch diese als Hauptverursacher darzustellen, sei eine "Verzerrung und für die Bekämpfung des Antisemitismus wenig hilfreich".
Zeitzeugin sprach vor 220 jungen Muslimen
Die MJÖ habe bereits vor mehr als zwei Jahren den sogenannten "islamischen Antisemitismus" reflektiert und ein Projekt rund um die "Säulen" Bildung, Begegnung und Gedenken initiiert. Fachleute hätten durch Vorträge und Workshops Wissen über die historischen und heutige Formen des Antisemitismus vermehrt, eine Zeitzeugin habe mit mehr als 200 muslimischen Jugendlichen über ihre Verfolgung als jüdische Österreicherin gesprochen. Auch habe es gemeinsame, koschere Fastenbrechen gegeben sowie den Besuch eines Schabbat-Mahls, das auch nach dem Ende des Projekts fortgesetzt werden soll, berichtete Canan Yasar.
Es habe sich gezeigt, "dass muslimische Jugendliche sich für die Lebenswelt anderer marginalisierter Gruppen interessieren und ihre Geschichte und Gegenwart kennenlernen möchten". Häufig kam laut Yasar auch die "berechtigte Frage" auf, "weshalb wir uns mit Antisemitismus beschäftigen, wo doch Islamophobie gerade einen so großen Raum in ihrer (der Jugendlichen, Anm.) Lebensrealität einnimmt". Die MJÖ-Führung argumentierte mit der Marginalisierung beider betroffenen Gruppen und mit der Notwendigkeit, sich für die Aufrechterhaltung der Menschenrechte aller einzusetzen.
Mit der spontanen Bereitschaft zur Solidaritätsaktion "Wir passen auf!" hätten muslimische Jugendliche gezeigt, dass das Brücken schlagende Projekt auf fruchtbaren Boden fiel. Canan Yasar dazu: "Eine fundierte Auseinandersetzung mit Antisemitismus führt dazu, dass Menschen diesem Thema gegenüber sensibler werden und sich stärker für Menschenrechte einsetzen." Nun gelte es das auf der Wiener Ringstraße gezeigte Engagement in die gesamte Gesellschaft hineinzutragen. (Link: https://blog.ksoe.at)
Quelle: kathpress