Theologin: Indigene Weisheit entscheidend für "Öko-Spiritualität"
Die von Papst Franzikus einberufene vatikanische Amazonien-Synode im Oktober hat als Grundlage die "Spiritualität einer ganzheitlichen Ökologie", die auf indigenes Wissen zurückgreift und bereits die Enzyklika "Laudato si" geprägt hat: Das hat die Theologin und Ordensfrau Birgit Weiler bei der am Samstag endenden "weltkirche.tagung" im oberösterreichischen Puchberg dargelegt. Die aus Diusburg stammende missionsärztliche Schwester, die seit 1995 als Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Antonio Ruiz de Montoya in Lima lehrt, skizzierte Ansätze für neue Formen der Evangelisierung in Lateinamerika.
Seit Beginn ihres Wirkens in Peru setzt sich Weiler intensiv für die in der Amazonasregion lebenden Indigenenvölker der Awajun und Wampis ein, u.a. als Koordinatorin eines Forschungsprojekts zur interkulturellen zweisprachigen Schulbildung für deren Angehörige. Die "indigene Spiritualität" könne für das Christentum entscheidende Lernimpulse liefern, so ihre Überzeugung. Bei den ihr vertrauten Völkern habe etwa das gemeinsame Unterwegssein auf den Flüssen große Bedeutung, führte die Ordensfrau beispielhaft aus. Für ein gutes Weiterkommen gehe es darum, gut aufeinander zu achten, damit die einfachen Boote nicht kippen, ebenso wie um das Hochhalten des großen Wissens der Bootsführer über einzelne Flussarme oder Herausforderungen der Strömung. Ähnlich gehe es auch in der Kirchengemeinschaft um das Hinhören und Achten aufeinander.
Die ganzheitliche Sicht der Indigenen, ihre "Kosmovision", kann laut der Theologin mit Prinzipien wie "Interaktion, Interdependenz und Interrelationalität" umschrieben werden. Das Beziehungsgefüge sei für sie vorrangig: Gelingendes Zusammenleben mit dem Ziel eines "Guten Lebens für alle". Dabei handle es sich nicht um einen Zustand, sondern um ein "Gemeinschaftsprojekt, für das man arbeiten muss", durch Ausgleich und Kontakt. Das Gemeinwohl beziehe alle Lebewesen mit ein, auch das Territorium, das bei den Indigenen nicht nur als Grundbesitz, sondern auch als "Wohnraum, Heilige Orte, Platz für alle anderen und starker Identifikationsrahmen" gelte. Dies sei ein starker Kontrast zu jenem Ansatz, der alles zur Ressource und Handelsware mache und dabei längst an seine Grenzen gestoßen sei.
Mutige Kirche nötig
In diesem Licht seien auch die Menschenrechtsverletzungen der peruanischen Regierung gegen die eigenen Völker zu sehen. Die Indigenen gedenken jährlich am 5. Juni der traumatischen Ereignisse von 2009, als der damalige Präsident eine Protestblockade Indigener gewaltvoll räumen ließ - als "reine Machtdemonstration", habe es doch damals schon eine Einigung über den freiwilligen Abzug gegeben, erinnerte Sr. Weiler. Viel zu oft würden friedliche Proteste gegen den Raubbau an Natur und Menschen in der Region - durch Vergiftung der Flüsse, Menschenhandel, Rodung des Regenwalds und Gewaltakte - kriminalisiert. Kirchenangaben zufolge wurden allein in Brasilien 1.119 Indigene zwischen 2002 und 2017 bei der friedlichen Verteidigung ihrer Rechte getötet.
Wichtig sei daher die "Präsenz einer mutigen Kirche vor Ort" und konkret für die im Oktober anstehende Synode, dass die neuen Wege der Evangelisierung "für das in dieser Region lebende Volk Gottes und mit ihm" erarbeitet würden, betonte die Lateinamerika-Expertin. Einzubeziehen seien dabei sowohl Bewohner der Gemeinden und des Landesinneren als auch der Städte und der großen Metropolen, Flussanrainer, Zuwanderer und Vertriebene und besonders die indigenen Völker, wie auch schon das Synoden-Vorbereitungsdokument festgehalten habe.
Große Hoffnungen
Ausführlich schilderte Sr. Weiler, wie es in der Amazonas-Region schon im Vorfeld der Synode einen "synodalen Prozess des Hörens der vielen verschiedenen Stimmen" gegeben habe: Bei 260 diesem Anliegen gewidmeten Veranstaltungen in und außerhalb der Region seien über 87.000 Menschen beteiligt gewesen, die zumeist große Mühen für die sehr beschwerlichen Anreisen auf sich genommen und enormes Engagement gezeigt hätten. Dafür motiviert worden seien sie vor allem durch Aussagen von Papst Franziskus, der am 19. Jänner 2018 bei der Begegnung mit Indigenen im peruanischen Puerto Maldonaldo bekannt hatte:
Es ist gut, dass ihr jetzt selber eure Identität bestimmt und sie uns kommuniziert. Wir müssen Euch zuhören.
Quelle: kathpress