Sensationeller Fund von Bibelfragmenten im Stift St. Florian
Von einem "Sensationsfund" sprechen die Augustiner Chorherren vom oberösterreichischen Stift St. Florian auf ihrer Website: Bei einer großen "Abstaubaktion" im Sommer 2018 seien Stiftsbibliothekar Friedrich Buchmayr sowie der Ordensangehörige und Germanist Clemens Kafka völlig überraschend auf zwei neue Fragmente der Florianer Riesenbibel gestoßen, die um 1140/50 angefertigt wurde.
Das erste Fragment diente als Einband für eine Archivhandschrift der Pfarre Schöndorf (Vöcklabruck) aus dem Jahr 1594 und enthält eine Passage aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer, berichtete das Stift. "Die Überprüfung des Layouts gab den entscheidenden Hinweis auf die Riesenbibel", erklärte Bibliothekar Buchmayr.
Der Text ist sowohl im Codex als auch beim Fragment auf zwei Spalten mit 45 Zeilen pro Seite aufgeteilt, die jeweils 15 cm breit und 48 cm hoch sind.
Das zweite Fragment mit dem Beginn des Buchs der Psalmen fand sich als Einband auf einem Predigtbuch aus dem Jahr 1601. Der Band sei ihm wegen der schön verzierten D-Initiale sofort aufgefallen, erzählte Clemens Kafka. Die weitere Untersuchung ergab, dass der Buchbinder mithilfe eingeritzter Linien das Riesenbibelblatt so zum Einband faltete, dass die farbenfrohe Initiale genau auf dem Vorderdeckel zu liegen kam. Viele grüne Ranken mit roten Seitentrieben und einer großen Anzahl verschiedenfarbiger Knollen, Blätter und Blüten umspielen den Buchstaben D. Die beiden Stifts-Fachleute konnten eine verwandte D-Initiale im vorhandenen Band der Riesenbibel auffinden und so den ersten Nachweis für die Zugehörigkeit des Fragments erbringen.
Die wissenschaftliche Überprüfung, ob die beiden Fragmente tatsächlich zur St. Florianer Riesenbibel gehören, war zeitaufwendig und nahm mehrere Monate in Anspruch, hieß es weiter. Von den vielen verschwundenen Blättern sind im Laufe der Jahrhunderte bisher nur zwei Fragmente in der Landesbibliothek in Linz und in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufgetaucht. Die beiden neuen Fragmente kamen ebenso wie die zwei schon bekannten um 1600 als Einbandmaterial in Verwendung.
Größte mittelalterliche Handschrift Österreichs
Die Riesenbibel von St. Florian gilt mit ihren enormen Maßen (66 x 48 cm) als größte mittelalterliche Handschrift Österreichs. Das prunkvoll ausgestattete Werk wurde um 1140/50 im eigenen Skriptorium angefertigt. "Größe und Umfang der Bibel zeigen, welch hohe Bedeutung das Wort Gottes für die Chorherren nach der Reform von 1071 hatte", erläuterte Stiftskustos Harald R. Ehrl. Ursprünglich dürfte die Riesenbibel drei Bände mit allen Büchern des Alten und Neuen Testaments umfasst haben. Erhalten blieb allerdings nur ein Einzelband.
Aus gegebenem Anlass zeigt das Stift St. Florian die sonst nicht zugängliche Riesenbibel am Sonntag, 30. Juni 2019 um 16 und 18 Uhr, Treffpunkt im Stiftshofhof beim Adlerbrunnen. Die neu entdeckten Fragmente sind im Rahmen der Stiftsführungen ab sofort bis Ende August 2019 im Hauptsaal der Stiftsbibliothek zu sehen.
Abstaubaktion auch im Sommer 2019
Im Laufe des Sommers 2018 wurden alle Bücher im schwer zugänglichen Galeriebereich und mehr als ein Drittel der übrigen Bücher gereinigt und begutachtet, teilten die Chorherren aus St. Florian mit. Auch in diesem Sommer soll die große Reinigungsaktion mit dem Abstauben der Bücher weitergehen. Vergangenes Jahr wurden schon 15.000 Bücher im Hauptsaal der Stiftsbibliothek gereinigt, bei rund 1500 Bänden waren Schäden vor allem durch Licht- und Wärmeeinwirkung festzustellen. Erfreulicherweise fand sich kein aktiver Nagekäferbefall ("Bücherwurm").
Für die Buchrestaurierungen bittet das Stift um Spenden oder um eine Buchpatenschaft. (Konto IBAN AT07 0100 0000 0503 1050, des Bundesdenkmalamtes, Verwendungszweck "A33" unbedingt angeben)
Quelle: kathpress