Bünker: Feiertage für alle Religionen wären "Ideallösung"
Für ein Überdenken der Karfreitagsregelung der türkisblauen Regierung hat sich der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker ausgesprochen. "Die völlige Privatisierung des Feiertags über das Urlaubsrecht funktioniert nicht." Stattdessen plädierte der mit 1. September aus dem Amt scheidende Bischof in der "Wiener Zeitung" am Freitag für eine der pluralen Gesellschaft angepasste "Ideallösung", die für alle staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften gelten sollte. "Man könnte endlich Yom Kippur aus dem Kollektivvertrag herausholen, die Muslime könnten ihr Opferfest zum Feiertag machen, und für die nicht religiös Gebundenen könnte man etwa den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember nehmen", schlug Bünker vor.
Dann könnte auch der Karfreitag als Feiertag für die Evangelischen bleiben. Als "größten Fehler", den er in seiner mit 1. September endenden Amtszeit als lutherischer Bischof machte, bezeichnete Bünker seine anfängliche Fehleinschätzung der Diskussion um den Karfreitag: "Die Schlagzeile 'Positiv mit Wermutstropfen' war sicher falsch" und dem Umstand geschuldet, dass er zunächst froh über das Wegfallen des von der damaligen Regierung angedachten "halben Feiertags" war. Jetzt sei er "sehr zuversichtlich, dass man mittlerweile eingesehen hat, dass das, was wir jetzt haben, hatschert ist, wie es der Kardinal (Schönborn, Anm.) formuliert hat." Von einer neuen Regierung würde sich Bünker erwarten, Vertreter der Religionsgemeinschaften und der Sozialpartner in einer Lösung einzubinden - etwas, das "immer gefehlt hat". Es werde wohl keine Lösung herauskommen, mit der alle glücklich sind, gestand der Bischof zu.
Meiner Meinung nach ist es am ehesten verkraftbar, wenn manche Branchen wie der Handel oder der Tourismus nicht ganz zufrieden sind.
Bischof Bünker äußerte sich in einem ausführlichen Interview der "Wiener Zeitung" anlässlich des Endes seiner knapp zwölfjährigen Amtszeit. Mit 1. September wird Michael Chalupka sein Nachfolger. Bünker feiert am Samstag um 15 Uhr seinen Abschied mit einem Gottesdienst in der Wiener Lutherischen Stadtkirche (Dorotheergasse 18), zu dem u.a. auch der heuer wieder in die evangelische Kirche eingetretene Bundespräsident Alexander Van der Bellen erwartet wird.
Diaspora-Situation erfordert Profilierung
Der 65-jährige gebürtige Leobener Bünker sieht "Diaspora" - also die Existenz in einer Minderheitensituation - mittlerweile als Leitbegriff für alle Kirchen im europäischen Kontext, nicht nur für die evangelische. Auch die katholische Kirche in Österreich verabschiede sich Zug um Zug davon, die überwiegende Bevölkerungsmehrheit zu bilden, in Wien sei weniger als die Hälfte katholisch. In dieser Situation ist laut Bünker für die Kirchen ein Profil entscheidend, durch das ihr Engagement für das Ganze der Gesellschaft erkennbar wird. "Die Kirchen wollen ja immer etwas für alle tun, nicht nur für die eigenen Leute", sagte der Bischof.
Schulen seien als Orte kirchlicher Präsenz wichtig, ebenso die Betonung der Diakonie: Ob dabei jemand katholisch oder evangelisch "oder gar nichts" ist, sei dabei nachrangig, es gehe um die Qualität des gesellschaftlichen Einsatzes. "Da können Kirchen glaubwürdig etwas einbringen", erklärte Bünker.
Als Vorbild in dieser Hinsicht bezeichnete Bünker die Waldenser in Italien, die zwar nur eine kleine Minderheitskirche mit etwa 35.000 Mitgliedern seien, durch das italienische Kirchenfinanzierungssystem aber von 400.000 Menschen unterstützt werden, die ihnen ihre Mandatssteuer von 8 Promille widmen. Die Waldenser stärken damit ihr Engagement für Flüchtlinge, sie seien Partner der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio beim Errichten humanitärer Korridore, berichtete Bünker. Durch diese sollen in Kooperation mit dem UNHCR 50.000 Flüchtlinge aus unsäglichen Lagern in Libyen nach Europa geholt werden, "womit auch Innenminister Matteo Salvini erstaunlicherweise einverstanden ist".
Seenotrettung für Christen außer Diskussion
Hierzulande werde immer davon gesprochen, dass illegale Migration verhindert werden müsse - "wir haben aber keine legale Migration", wie der Bischof anmerkte. Kirchliche Gemeinden - "sie sind offen für alle, aber nicht offen für alles" - unterlägen hier einem klaren Auftrag aus dem Evangelium. "Dinge wie die Seenotrettung sind außer Diskussion, darüber kann man in der Politik diskutieren, aber nicht in der Kirche", wies Bünker hin. Es sei wichtig, sich dafür einzusetzen und "die deutliche überverhältnismäßig positive Wahrnehmung der evangelischen Kirche zu nutzen", die "mehr Bekanntheit als Mitglieder" habe. Mit einem Acht-Promille-System als Alternative zum jetzigen Kirchenbeitragssystem in Österreich würden die Evangelischen nicht schlecht abschneiden, meinte Bünker. Nachsatz: "Aber keine österreichische Regierung wird eine Acht-Promille-Steuererhöhung beschließen."
Zur offiziellen Ökumene in Österreich erinnerte Bünker an die gute Basis, die starke Persönlichkeiten wie Kardinal Franz König, Metropolit Michael Staikos oder Oberin Christine Gleixner gelegt hätten. Daneben gebe es andere Formen auf der regionalen und lokalen Ebene, wo man etwa bei der Eucharistie für Nichtkatholiken "ein gutes Stück weiter" sei. Besonders hob Bünker als "ein europäisches Unikat" auch die Kirchliche Pädagogische Hochschule (KPH) Wien/Krems hervor, die nicht nur christlich-ökumenisch, sondern interreligiös ausgerichtet.
Evangelikale Gruppen im Kommen
Es gebe weiters eine neue Form von evangelikal-charismatisch und pfingstlerisch ausgerichteter Ökumene - mit Gruppierungen, die abseits von Kircheninstitution auf öffentliches Bekenntnis zu Jesus setzen, etwa in Form eines "Marsches für Jesus" oder eines "Awakening Europe"-Events. Derlei sei weltweit die am rasantesten wachsende Form des Christentums, so Bünker.
Ob man das sympathisch findet, ist eine andere Frage. Aber man muss die Realität auch sehen, insofern hat mich das, was in der Stadthalle passiert ist, nicht wirklich überrascht.
In Österreich sei man eher ein distanziertes, wohlwollendes Verhältnis zwischen Staat und Religion gewohnt. Dabei spiele "unsere Geschichte mit hinein, mit katholischem Ständestaat und Nationalsozialismus - die Kirchen sind ja alle irgendwie angepatzt, auch die evangelische", wie der lutherische Bischof sagte.
Er halte es für wichtig, "besonders im Auge zu behalten, dass bei der Ausdünnung der sozialen Verbindungen in den Dörfern und Kleinstädten die Pfarrgemeinde oft die letzte ist, die es vor Ort gibt". Es brauche solche Orte der gelebten Nachbarschaft, "ich sage es einmal so unreligiös", so Bünker.
Auf die Frage nach den Höhepunkten seiner Zeit als Bischof nannte Bünker seine elfjährige Tätigkeit als Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), die ihm "einen europäischen Blick gebracht" hätten, seine Besuche in so gut wie allen rund 200 evangelischen Pfarrgemeinden in Österreich sowie 2017 das Jubiläum "500 Jahre Reformation": "Das war natürlich sensationell mit dem Papst in Lund, der die schwedische Erzbischöfin geküsst hat."
Quelle: kathpress