Jesuit Hagenkord warnt vor zu hohen Erwartungen
Die Amazonien-Synode sollte nicht dazu benutzt werden, Probleme der Kirche in Europa und Nordamerika wie etwa den Wunsch nach verheirateten Priestern zu thematisieren: Dies werde nur zu großen Enttäuschungen führen, hat der Redaktionsleiter von Vatican News, Bernd Hagenkord, im Interview mit der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgabe) angemahnt. Bei der Bischofsversammlung werde es um Maßnahmen für die Menschen in Amazonien gehen - "nicht um die Frage Zölibat ja oder nein", da sich die Seelsorge vor Ort nicht darauf reduzieren lasse, so der Jesuit.
"Es ist schwierig, wenn Erwartungshaltungen nach dem Motto 'Es ist nur ein Erfolg, wenn...' gebildet werden", warnte der deutsche Vatikan-Insider. Das vor einer Woche veröffentlichte Arbeitsdokument für die Synode sei bei Fragen hinsichtlich einer möglichen Priesterweihe für ältere, verheiratete Familienväter "sehr zurückhaltend und zielt auf ganz konkrete Situationen ab". Zudem habe auch Papst Franziskus selbst gesagt, es werde unter ihm keine generelle Abschaffung des Zölibats oder eine Lösung mit Wahlmöglichkeit geben.
In Amazonien stellten sich sehr wohl Fragen rund um den Priestermangel, "der aber anders aussieht als bei uns", so Hagenkords Eindruck von einer soeben beendeten Brasilienreise. Die von ihm besuchte Diözese verfüge bei einer Fläche von der halben Größe Deutschlands gerade einmal 21 Priester. "Wenn auf der Synode über den Zugang der Menschen zur Eucharistie debattiert wird, dann vor dem Hintergrund in Amazonien. Wir können in dieser Diskussion nicht unsere europäischen Fragen wie Sexualmoral, Macht und Autorität diskutieren." In Amazonien werde dies bereits als "neuer Kolonialismus" aufgefasst.
Wichtig sei es, "zuerst den Menschen, für die diese Synode bestimmt ist, zuzuhören", und erst nach dem genauen Blick auf die regionalen Realitäten "unsere Probleme in diesem Licht anzugehen", so der Ordensmann. Auswirkungen jenseits von Amazonien könnte die Kirchenversammlung durchaus haben "und das ist auch so gewollt", schließlich spreche ja auch das Synoden-Arbeitspapier von einem "Testcharakter". Hagenkord:
Das heißt, was hier mit dem regionalen Blick besprochen wird, muss nicht regional bleiben. Man muss sich ansehen, wie sich die Konzepte darstellen, wenn man sie in eine andere Realität, in eine andere Kultur oder Rechtsordnung überträgt.
Amazonien gehe die Kirche in Europa sehr viel an, und die Synode biete eine gute Gelegenheit zu überlegen, in welcher Hinsicht, befand der Jesuit. Vermeiden sollte man dabei ein "Gleichmachen", denn "die indigenen Völker in Amazonien leben ganz anders als wir und haben andere Vorstellungen von Zukunft und Wohlstand". Eine zweite Gefahr sei, die Themen Amazoniens als exotisch und für Europa belanglos abzutun:
Diese Menschen leben in Kontakt mit uns und vor allem zerstört unsere Welt ihre Welt. Wir wollen Aluminium für unsere Autos. Aber für die Gewinnung des Rohstoffs Bauxit sind in ganz Brasilien 100 Wasserkraftwerke mit Staudämmen geplant. Das lässt sich nicht trennen.
Für unangebracht hielt der Vatican News-Redaktionsleiter Vorwürfe gegen Papst Franziskus, er rede bloß von Kirchenreform ohne die dafür nötigen Schritte zu setzen. "Manche Dinge kann man mit einer Änderung der Strukturen erreichen, für andere braucht es eine Haltungsänderung, weil sie die Menschen selbst wollen müssen. Daran arbeitet der Papst, indem er versucht, Menschen aufzurütteln und zu motivieren." Alles, was der Papst angeblich nicht schaffe, habe er selbst nie vorgehabt, sondern es sei vielmehr von außen an ihn herangetragen worden.
Wenn jetzt in Publikationen bestimmte Reformen als gescheitert bezeichnet werden, muss man sagen: Der Papst wollte sie ja auch nicht.
Quelle: kathpress