"Vienna Declaration": Keine Religion rechtfertigt Terror
Jeder Terrorakt im Namen einer Religion ist ein Anschlag gegen alle Religionen zugleich: Das wird in einer gemeinsamen Erklärung einer hochrangigen internationalen Konferenz in der Wiener Hofburg klargestellt. Auch zu "wirksamen Maßnahmen" zur Verhinderung von Terrorismus sowie von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die angeblich "im Namen der Religion" verübt werden, wird darin laut einem aktuellen Bericht der Stiftung "Pro Oriente" aufgerufen. Die Konferenz fand bereits vergangenen Mittwoch auf Initiative der Republik Azerbaidschan statt, in Kooperation mit dem Internationalen Zentrum für interreligiöse Zusammenarbeit in Baku, dem Wiener KAICIID-Dialogzentrum und dem Zentrum für die Förderung der Menschenrechte in Genf.
Jeder Versuch von Terroristen, sich der "heiligen Werte der Religionen zur Verwirklichung ihrer bösartigen Bestrebungen" zu bedienen, müsse unterbunden werden, fordern die Konferenzteilnehmer in der "Vienna Declaration" weiter. Zu diesem Zweck sei die Zusammenarbeit zur Verhinderung der Verbreitung "schädlicher Ideologien und Propagandakonstrukte", die unter religiösem oder ethnischem Vorwand die Gewalt fördern, zu intensivieren. Fremdenhass, Antisemitismus, Christianophobie und Islamophobie seien entschlossen zurückzuweisen. Dringend notwendig sei die Ermutigung der Erziehung der Jugend im Sinn der gleichen und umfassenden Bürgerrechte für alle.
Die Ausbreitung von Fremdenhass und Rassismus, aber auch die wachsende religiöse und ethnische Intoleranz, die Zerstörung des kulturellen, religiösen und historischen Erbes, die Flüchtlingskatastrophen lösen "tiefe Sorge" aus, heißt es in der "Vienna Declaration". Umso notwendiger sei es, die gemeinsamen menschlichen Werte der verschiedenen Religionsbekenntnisse und Wertsysteme zu betonen, denn sie seien es, die zur weltweiten Zivilisation, zum kulturellen und spirituellen Erbe und zum Wachstum von Humanismus, Frieden und Gerechtigkeit beitragen.
Konflikte fair und friedlich lösen
In der "Vienna Declaration" wird die zentrale Rolle der Vereinten Nationen bei der Vorbeugung und Überwindung von Bedrohungen und Herausforderungen für die internationale Stabilität und Sicherheit hervorgehoben. Ebenso wird daran erinnert, dass bewaffnete Konflikte, Verfolgung und Gewalt, Terrorismus zu den Faktoren zählen, die große Flüchtlingsbewegungen auslösen. Die Charta der Vereinten Nationen und die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des internationalen Rechts - "vor allem die Prinzipien der souveränen Gleichheit, der territorialen Integrität und der Unverletzlichkeit der Grenzen" - seien zu respektieren.
In diesem Zusammenhang wird für eine "faire und friedliche Regelung" von Konflikten plädiert; ausdrücklich genannt werden der israelisch-palästinensische Konflikt und der Konflikt zwischen Armenien und Azerbaidschan wegen Berg-Karabach (Artsach). Abschließend spricht sich die "Vienna Declaration" für die Förderung einer "Kultur der Akzeptanz und des Respekts für religiöse, kulturelle und ethnische Unterschiede" im Sinn der Charta der UNESCO sowie für die Zusammenarbeit von religiösen, säkularen, wissenschaftlichen usw. Persönlichkeiten zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte ("einschließlich der Rechte von Frauen und Kindern") aus.
Papst-Großimam-Treffen lieferte Anstoß
Als Inspirationsquellen der "Vienna Declaration" werden das von Papst Franziskus und dem Großimam der Al-Azhar, Ahmed al-Tayyeb, am 4. Februar in Abu Dhabi unterzeichnete Dokument über "Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt" und das am 25. Juni 2018 in Genf beschlossene Zehn-Punkte-Programm "Auf dem Weg zu weltweiter größerer spiritueller Konvergenz zur Unterstützung gleicher Bürgerrechte" genannt. Die Förderung der interkulturellen und interreligiösen Zusammenarbeit "in einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens" stelle einen Meilenstein für "Frieden, Sicherheit und menschliche Solidarität" dar. Ausdrücklich wird auch die auf eine gemeinsame spanisch-türkische Initiative zurückgehende "Alliance of Civilizations" der Vereinten Nationen gewürdigt, die einen Aktionsplan für den Schutz und die Bewahrung religiöser Stätten vor terroristischen Angriffen auf den Weg bringen möchte.
Die internationale Konferenz stand unter dem Titel "Von der interreligiösen und interkulturellen Zusammenarbeit zur menschlichen Solidarität". Federführend beteiligt waren u.a. Miguel Angel Moratinos, stellvertretender UN-Generalsekretär und Hoher Repräsentant für die "Alliance of Civilizations", der Vorsitzende der Geistlichen Verwaltung der kaukasischen Muslime, Scheich-ul-Islam Allahshukur Pashazade und KAICIID-Generalsekretär Faisal bin Muaammar. Auch der Pariser orthodoxe Metropolit Emmanuel (Adamakis), der stellvertretende Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Archimandrit Filaret Bulekow, der katholische Erzbischof der nigerianischen Hauptstadt Abuja, Kardinal John Onaiyekan, Msgr. Khaled Akasheh vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog waren unter den Rednern, sowie weiters die Generalsekretäre von "Religionen für den Frieden" und des libanesischen Komitees für den christlich-islamischen Dialog, William Vendley und Mohammed Sammak, sowie Rabbi David Rosen vom "American Jewish Committee".
"Verstehenlernen" durch Religionsunterricht
Kardinal Christoph Schönborn wurde vom Wiener Ökumene-Experten Rudolf Prokschi vertreten. Der "Pro Oriente"-Vizepräsident betonte, es sei bei der Vermittlung von religiösen Inhalten an die Jugend entscheidend, "über den Tellerrand der eigenen religiösen Tradition und persönlichen Prägung hinaus den Blick auf andere Bekenntnisse und Überzeugungen zu öffnen und zu einem respektvollen Umgang mit ihnen hinzuführen". In Österreich habe der konfessionell ausgerichtete Religionsunterricht an allen öffentlich anerkannten Schulen zwei inhaltliche Stoßrichtungen: Die Vermittlung und Vertiefung des Grundwissens über die eigene Religion, "wobei es auch um die Hinführung zum Verständnis des Gottesdienstes und der spirituellen Grundlagen geht" wie auch das Kennen- und Verstehenlernen anderer religiöser Überzeugungen und ihrer Werthaltungen.
Als Vorbedingungen dieses Verstehenlernens nannte der Ostkirchenexperte den direkten interreligiösen Austausch und "ehrlichen Dialog". Insbesondere die Erziehung und Bildung der jungen Generation könne dazu beitragen, dass in der Zukunft religiöse Überzeugungen zu gegenseitigem Respekt und Toleranz führten statt zu Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen. Als ein Positiv-Beispiel dafür nannte Prokschi die Eröffnung des restaurierten christlichen Klosterkomplexes von Schir Bani Yas in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
"Harmonie der Gottesmänner" nötig
Aus Österreich kamen bei der Konferenz in der Hofburg auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Ümit Vural, und der syrisch-orthodoxe Chorbischof Emanuel Aydin zu Wort. Aydin hob hervor, dass es Friede "nur durch Gerechtigkeit" geben könne. Deren Verwirklichung sei nicht leicht und die Ungerechtigkeit gleichsam ein Normalzustand der Menschheit. Aydin appellierte an die Religionsführer, "in Harmonie mit einer Stimme zu sprechen". Die verfeindeten Parteien und politischen Gruppierungen würden auf "Gottesmänner" eher hören als auf Politiker und diesseitige Propheten.
Im Hinblick auf Europa plädierte der Chorbischof für eine Rückbesinnung auf die religiösen Wurzeln der Kultur des Kontinents. Auch Brüssel müsse zur Kenntnis nehmen, dass es ohne Gottesdienst und ohne das Wort Gottes kein Europa geben würde. Es sei die Kultur der Bibel, die Kultur der frühen Kirche, die Kultur der Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit gewesen, "die Europa zu Europa gemacht hat". Ohne die Zehn Gebote wäre die ganze Rechtsordnung nur "kodifiziertes Unrecht", so Aydin.
Viele Christen und Nichtchristen seien dem Aufruf von Papst Franziskus zu Gebet und Fasten für den Frieden in Syrien, im Nahen Osten und in der ganzen Welt gefolgt, nicht jedoch die "Mächtigen", stellte der Chorbischof fest. Diesem Ausdruck von Glaubensverlust und Entfernung von Gott sei eine "Umkehr zur Frohbotschaft der Nächstenliebe" entgegenzuhalten. "Militärschläge gegen Länder sind das falscheste Mittel", so Aydin.
Quelle: kathpress