KAICIID-Aus wäre "schwerer religionspolitischer Fehler"
Die Schließung des in Wien ansässigen "König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog" (KAICIID) wäre aus Sicht des Wiener Pastoraltheologen Paul Zulehner ein "schwerer religionspolitischer Fehler". Zulehner bricht in seinem Blog eine Lanze für die internationale Organisation und belegt dies vor allem auch mit persönlichen Erfahrungen:
Mehrmals hatte ich an Veranstaltungen teilgenommen. Diese zeugten von einer großen kulturellen und interreligiösen Offenheit, setzten auf Dialog und gegenseitige Verständigung. Nie habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Arbeit des Zentrums durch politische Interessen irgendeines Landes - auch nicht Österreichs, Spaniens oder des Vatikans - ausdrücklich oder untergründig beeinflusst worden wäre.
Er habe nicht nur Generalsekretär Faisal bin Muaammar persönlich kennen und schätzen gelernt, "es wurde mich auch klar, dass ernsthaft gearbeitet und gründlich geforscht wurde". Gerade die Förderung des interreligiösen und interkulturellen Austausches unter jungen Menschen aus vielfältigen Ländern habe einen hohen Stellenwert. Zulehner:
Junge Menschen verschiedener Kulturen und Religionen forschten miteinander, musizierten, freundeten sich an.
Nicht zuletzt sei er auch selbst Vortragender in diesem Zentrum gewesen. Zulehner würdigt die "offene Atmosphäre" und die starken Bemühungen, "mit der akademischen Szene in Wien in ein tiefschürfendes Gespräch zu kommen, weshalb ich im Rahmen meiner Möglichkeiten schon als Dekan der katholisch-theologischen Fakultät den Kontakt suchte".
Leider scheine derzeit - "kurzsichtig und ohne ausreichendes Wissen" - das Zentrum in fahrlässiger Weise Opfer eines innenpolitischen Hickhacks zu werden. Zulehner: "Man hat den Eindruck, dass ein gängiges antiislamisches wie antiarabisches Ressentiment das Nachdenken trübt. Statt in der Zeit einer 'Expertenregierung' eine von Experten durchgeführte Prüfung der Aktivitäten des Zentrums in Auftrag zu geben, wird ahnungslos kurzerhand die Schließung beschlossen."
Für den interreligiösen Dialog - und zwar nicht nur für jenen zwischen Christen und Muslimen, sondern auch anderen Weltreligionen - sei das ein schwerer Schlag. "Es wird eine Einrichtung aus dem Land vertrieben, in dem einmal ein Kardinal König einer der herausragenden interreligiösen Brückenbauer gewesen ist und das sich für seine Dialogkultur rühmen konnte", betont Zulehner. Auch Kardinal Schönborn, selbst mehrmals Referent im KAICIID, sei vermutlich nicht konsultiert worden, kritisiert der Theologe. Nachsatz: "Demokratische Partizipation sieht anders aus."
Der Wahlkampf könne wohl zu einer "religionspolitischen Erblindung" führen, meint Zulehner. Die Schließung des Zentrums tauge mit Sicherheit nicht als außenpolitisches Instrument mit Blick auf eine natürlich inakzeptable - inzwischen ausgesetzte Hinrichtung - eines Jugendlichen. Das wäre es besser, eine gemeinsame Europäische Initiative zu setzen. Auch verdiene das KAICIID es wirklich nicht, für die Politik des derzeitigen Regimes in Saudi-Arabien herzuhalten. Zulehner:
Die Verantwortlichen des Zentrums haben sich klar vom Terror des politisch verirrten Islams distanziert. Auch haben sie nachweislich durchaus eine Entwicklung in der Saudischen Politik begünstigt.
Scharf geht der Theologe mit den politischen Parteien ins Gericht:
Es erstaunt, dass nun ausgerechnet die Liste JETZT oder auch NEOS die populistische Schließungskarte ziehen und andere gedankenlos mitstimmen. Man hätte eher erwarten können, dass ein solcher Schachzug von der FPÖ oder der ÖVP gekommen wären, die ja immer noch meinen, mit dem abflauenden Thema der Migration und des Antiislamismus dauerhaft Wahlen gewinnen zu können.
Zum Glück gebe es auf dem Weg zur Schließung noch so viele Hürden, dass diese nicht so rasch durchzuführen ist, wie der wahltaktische Beschluss des Nationalrates dies beabsichtigte. Und vielleicht könnte eine kommende Regierung die Schließung noch abwenden. Dies würde "den Leistungen des Zentrums gerecht werden und einen religionspolitisch schweren Fehler vermeiden", so Zulehner.
Multireligiöse internationale Organisation
Das KAICIID wurde Ende 2012 von Österreich, Spanien, Saudi-Arabien gegründet und von den Saudis größtenteils finanziert. Die entsprechenden Abkommen, die die Etablierung des "Dialogzentrums" ermöglichten, waren 2012 vom Nationalrat abgesegnet worden. Seit seiner Gründung ist auch der Heilige Stuhl als Ständiger Beobachter in die Arbeit des Dialogzentrums strukturell eingebunden.
Das KAICIID ist eine internationale Organisation, die auf völkerrechtlicher Basis und nach völkerrechtlichen Prinzipien arbeitet. Geleitet wird das KAICIID von einem multireligiösen Direktorium, dem Vertreter von Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum angehören.
Quelle: kathpress