Kirche will Amazonien-Krise zum "Gnadenmoment" machen
Mit ihren inhaltlichen Vorgaben für die Amazonien-Bischofssynode im Herbst "geht die Kirche wirklich an die Ränder, wie Papst Franziskus es wiederholt eingefordert hat, tritt für die Verletzlichsten ein und anerkennt zugleich ihren Wert und ihre Würde": Mit diesen Worten hat Anja Appel, Geschäftsführerin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO), das am Montag vom Vatikan veröffentlichte Arbeitspapier ("Instrumentum laboris") der Synode gewürdigt. In einer Stellungnahme unterstrich Appel die hohe Bedeutung des weltkirchlichen Ereignisses, das vom 6. bis 27. Oktober in Rom anberaumt ist: Die hier zur Diskussion stehenden Sachverhalten seien "von globaler Relevanz".
Bemerkenswert an dem Arbeitspapier sei vor allem die "Klarheit, mit der existenzielle lebensbedrohliche Probleme in Amazonien benannt werden", so die Expertin für kirchliche Entwicklungszusammenarbeit (EZA): Besonders die Zerstörung des Lebens von Völkern und Arten durch eine extraktivistische, einseitig auf Export ausgerichtete Wirtschaftsform werde darin dargestellt. Im Sinn der Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus gehe es um das Hinhören auf den "Schrei" der in ihrem Leben bedrohten Bewohner des Amazonasgebiets sowie einer Gewalt erleidenden Erde und Natur. Dieser Schrei halle auf dem ganzen Planeten wider.
Diesen Problemen stelle das "Instrumentum laboris" entschieden und mit christlicher Überzeugung die "Verteidigung des Lebens" entgegen, sowie das Konzept eines "guten Lebens für alle", erklärte Appel. Letzteres beziehe sich auf die Menschen und Lebewesen vor Ort wie auch weltweit, angesichts der u.a. in seiner Funktion als Kohlenstoffsenke enormen Bedeutung von Amazonien für das Weltklima. Das "Gute Leben für alle" sei ursprünglich ein indigenes Weisheitskonzept. Dass es der Vatikan aufgreife, gehe wohl auf die Aufforderung von Papst Franziskus bei seinem Vorjahres-Besuch im peruanischen Puerto Maldonado zurück, als er den interkulturellen Dialog mit den indigenen Völkern als "vorrangige Gesprächspartner" als "unabdingbar" bezeichnet hatte und Anerkennung für sie gefordert hatte.
Hohe Erwartungen der Indigenen
Die Kirche wie auch die Menschen Amazoniens knüpften viel Hoffnung an die Synode, strich Appel hervor. Für die indigenen Völker der Region dränge die Zeit angesichts von Umweltzerstörung, Klimawandel und Existenzbedrohung. Das sollte jedoch nicht Panik auslösen, sondern vielmehr ein dringend nötiges Handeln und konkrete Maßnahmen anstoßen. "So könnte aus der Krise ein 'Kairos' - ein Gnadenmoment - werden", so die Entwicklungsfachfrau.
Besonders treffe dies zu auf die geschätzt 110 bis 130 Völker, die in selbstgewählter Abgrenzung von der westlichen Zivilisation leben und im vatikanischen Synoden-Arbeitspapier mit einem eigenen Kapitel bedacht werden. Sie leben demnach in "tiefgreifender Verbindung mit der Natur" und leisteten Widerstand gegenüber dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklungsmodell, das "räuberisch, völkermordend und naturzerstörend ist, indem sie sich für die Gefangenschaft entscheiden, um in Freiheit zu leben", so Appel. Das vatikanische Dokument schlage verschiedene Maßnahmen vor, um das Leben dieser Völker zu bewahren und von ihnen zu lernen.
Vielfalt als Reichtum sehen
Wie das Arbeitspapier weiters zeige, nehme sich die katholische Kirche bei der kommenden Synode auch ein Nachdenken über ihre Mission vor. Diese werde "vor allem als Dialog verstanden, der auf neuen Wegen umgesetzt werden soll": Beispielsweise als Dialog mit den Völkern Amazoniens, als Lernerfahrung und als Widerstand gegen kolonisierende Vorgehensweisen. Appel:
Eine Kirche mit amazonischem und indigenem Gesicht soll entstehen, indem kulturelle Vielfalt als Reichtum gesehen und bejaht wird, eine Inkulturation des Glaubens in die verschiedenen Kulturen geschieht und ein entschiedener Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung und eine klare Option für die Armen gelebt werden.
Liturgie soll Widerstandskraft stärken
Schließlich verwies die KOO-Geschäftsführerin auch auf die im Grundlagenpapier für die Synode enthaltenen Überlegungen, "wie die Liturgie verstärkt durch die Spiritualität der Völker Amazoniens geprägt werden könnte, um das Leben und die Widerstandskraft der Gemeinden zu stärken". Angeregt werde dabei einerseits ein Unterscheidungsprozess bezüglich der Riten, Symbole und Feierstile in indigenen Kulturen, die in Kontakt mit der Natur stehen - und die "aufgenommen werden müssen in das liturgische und sakramentale Ritual", zitierte Appel aus dem Arbeitsdokument.
Am meisten unter Theologen diskutiert ist bisher schließlich der ebenfalls enthaltene Vorschlag, jenen Personen offizielle kirchliche Anerkennung und Beauftragung zu geben, die in den weit verstreuten kirchlichen Gemeinden die Leitung wahrnehmen und in verschiedenen Diensten das kirchliche Leben aufrecht erhalten. Auf die entsprechende Passage verwies auch Appel in ihrem Blick auf das vatikanische Arbeitspapier: Da "die Kirche von der Eucharistie lebt und die Eucharistie die Kirche aufbaut", die Gemeinden aber aufgrund fehlender Priester oft die Eucharistie nicht feiern können, "wird darum gebeten, dass - statt die Gemeinden ohne Eucharistie zu lassen - die Kriterien zur Auswahl und Vorbereitung der zum Vorstehen der Eucharistie autorisierten Dienstämter geändert werden", heißt es dort.
Quelle: kathpress